Ein Theater schreit auf

In Krefeld- Mönchengladbach tobt eine Spardebatte. Verlieren Kunst und Publikum?

Krefeld. Ein Sparmodell war dieses Theater von Anfang an, schon lange vor der Zeit der Bankenkrisen und Haushaltslöcher. Im Jahr 1950, als Nachkriegsdeutschland ganz andere Probleme kannte, gründeten Krefeld und Mönchengladbach ihre Vereinigten Städtischen Bühnen. Das Ergebnis war ein Drei-Sparten-Haus zum Spottpreis, ein konkurrenzlos günstiger Kulturschatz.

Rund 60 Jahre später haben sich die Perspektiven dramatisch verschoben. Seit einigen Wochen ist in beiden Städten ein Feilschen und Fordern im Gange, bei dem am Ende das Theater und sein Publikum als große Verlierer da stehen könnten. Der Ton der Spardebatte ist scharf, das politische Klima wird rauer: Die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst, zu denen auch die Theater gehören, sollen zwar anderswo, nicht aber den Künstlern ausgezahlt werden.

Mit Realismus haben die Vorschläge nichts zu tun, eher mit Verzweiflung: Gladbach steht mit einer Milliarde Euro in der Kreide, auch Krefeld ist nicht auf Rosen gebettet. Dass man harte Einschnitte im Kulturbereich diskutiert, ist also kein Wunder. Das Problem ist eher das Wie.

"Sonderwünsche von Kultur-freaks akzeptieren wir nicht mehr", hat Krefelds CDU-Fraktionschef Wilfrid Fabel vor einigen Wochen in Zusammenhang mit der Sanierung des Kaiser-Wilhelm-Museums verkündet. Seither scheinen alle Debatten vergiftet.

Fabel attackiert den SPD-Kulturdezernenten Roland Schneider fast täglich als "Herr der Haushaltslöcher", Schneider hingegen wirft der CDU "Willkür" vor und wittert einen "theaterpolitischen Skandal". In Gladbach erklärt der aufstrebende, populäre Torsten Terhorst (CDU), nebenberuflich Unterwäschemodel, Theater sei ein Luxus für gesellschaftliche Eliten, den man sich nicht mehr leisten könne.

Immerhin: Die seltsamste aller Ideen ist zumindest in Krefeld vom Tisch, in Mönchengladbach wird sie weiter diskutiert. Allen Ernstes wollen die dortigen Fraktionen von CDU und FDP das Theater auf den Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst sitzen lassen - rund eine Million Euro in der laufenden Spielzeit. Bei gültigen Arbeitsverträgen und festg³elegtem Spielplan lässt sich dieses Geld nicht mehr einsparen. Die Folge wäre offensichtlich: "Dann sind wir bald zahlungsunfähig", sagt Intendant Jens Pesel.

Viel dramatischer als solche Muskelspiele ist der ganz konkrete Plan, die höheren Löhne zwar für die laufende Spielzeit zu übernehmen, nicht aber für die kommende. In diesem Fall würden dem Theater nach eigenen Berechnungen plötzlich 1,6 Millionen Euro fehlen - bei einem künstlerischen Etat von zwei Millionen Euro. Angesichts solcher Horrorzahlen will die Intendanz gar nicht erst spekulieren, welche Reste von Theater übrig blieben.

Der Spielraum für Einsparungen ist schon deshalb so gering, weil 90 Prozent des Theater-Etats in Personalkosten fließen. An den Verträgen, auch an den zeitlich befristeten, lässt sich nicht von heute auf morgen rütteln.

Sollten die Mehrheitsfraktionen beider Städte trotzdem bei ihrer harten Linie bleiben, helfen nur drastische Einschnitte: Opernaufführungen ohne Bühnenbild, die Abschaffung der Studio-Produktionen oder ein Verzicht auf die beliebten Kindertheaterstücke heißen die Schreckgespenster, die nun umgehen. Die in Gladbach diskutierte Schließung der Ballettsparte wäre nach Ansicht der Theaterleitung ein Nullsummenspiel: "Das zeigen die Erfahrungen aus anderen Städten."

Erstaunlich ruhig und besonnen reagieren die Theaterleute auf eine politische Debatte, die den nahenden Wahlkampf deutlich erahnen lässt. "Die Polemik muss aufhören", fordert der stellvertretende Intendant Christian Tombeil. Pesel und er müssten längst die nächste Spielzeit planen - doch das geht erst, wenn sie wissen, wie viel Geld sie zur Verfügung haben. "Wir können nur die Folgen eines Sparkurses aufzeigen", sagt Tombeil. "Verantworten müssen ihn andere."