Funkstille auf Kanzel und Bühne

Mobilfunkfirmen übernehmen Frequenzen für drahtlose Mikros.

Köln. Popstars wie Shakira stehen plötzlich ohne Stimme da, der Pfarrer auf der Kanzel dringt nicht durch, der Manager bricht seine Zahlen-Präsentation ab, auf dem Parteitag herrscht plötzlich Funkstille: Die Mikrofone funktionieren nicht mehr. "Schon in den nächsten Monaten werden Veranstaltungen aller Art erst technisch gestört sein, dann reihenweise ausfallen. Das ist das Szenario, das wir befürchten", sagt der Direktor des Deutschen Bühnenvereins, Rolf Bolwin. Überall, wo drahtlose Mikros verwendet werden, kann es zu Beeinträchtigungen kommen.

Der Hintergrund: Die Frequenzen aus dem 800 Megahertz-Bereich, die diese Drahtlos-Mikrofone nutzen, sind von der Bundesnetzagentur an die großen Mobilfunkbetreiber versteigert worden. "Dieser Megahertz-Bereich war vorher dem Rundfunk zugewiesen, der die Frequenzen aber wegen der Digitalisierung nicht mehr benötigte", erklärt Cord Lüdemann von der Bundesnetzagentur. Die Mikros sind in dieser Frequenz "Sekundärnutzer", dürfen das auch bis 2015 bleiben, aber die großen Lücken, die sie bisher nutzen, schrumpfen zusammen, wenn Telekom, Vodafone und O2 das Spektrum für schnelleres Internet via Mobilfunk verwenden. Die Drahtlos-Mikros werden faktisch aus ihren Stammfrequenzen verdrängt.

Wichtig sei ein geregelter Übergang, sagt Lüdemann. Den sieht der Bühnenverein aber nicht, man erfahre nichts. "Das Ganze läuft völlig ungeordnet ab", kritisiert Bolwin. Auch bei der Kirche klingeln die Alarmglocken. "Da drohen hohe Verluste, wir haben viele alte Mikrofone, die definitiv nicht umgerüstet werden können auf die neuen bereitgestellten Frequenzen", erklärt Rainer Gritzka, Geschäftsführer der Grundstückskommission des Rates der Evangelischen Kirche (EKD).

Bolwin ist sicher: "Es wird einen auch wirtschaftlich enormen Schaden geben." Auch die ganze Veranstaltungsbranche sei betroffen: "Die hat hier im Lande eine erhebliche ökonomische Kraft." Es geht natürlich ums Geld. Für neue Frequenzen müssen neue Mikrofon-Anlagen gekauft werden. Das wird Schätzungen zufolge hohe dreistellige Millionensummen kosten. Bolwin fordert 30 Prozent der Neuanschaffungskosten für die Theater. Der Bund habe ja auch gut vier Milliarden Euro über die Auktion verdient. In Großbritannien sei allen Antragstellern eine Kostenübernahme von 50 Prozent zugesichert worden.

Die Politik will die Betroffenen zwar unterstützen, streitet aber über das Wieviel. Im Bundesfinanzministerium heißt es, die Bundesregierung gehe bisher von einem Erstattungsbetrag von 124 Millionen Euro für 2011 bis 2015 für die "Sekundärnutzer" aus. Aus den Ländern kommen aber Stimmen, die das Sechsfache für notwendig halten. Der Bühnenverein meint, mit gut 120Millionen Euro für alle komme man nicht weit. "Es sind noch längst nicht alle in der Branche aufgewacht. Wir stehen vor einem Desaster."