Geduldsspiele mit vielen Seiten
Das Clemens-Sels-Museum zeigt die Geschichte des Puzzles.
Neuss. Ob sich die Soldaten in den Schützengräben an der Westfront gefreut haben? Vom Oberkommando der Wehrmacht erhielt sie im Ersten Weltkrieg feldgraue Kästchen mit dem Aufdruck "große Zeit". Darin das Bildnis des Generalfeldmarschalls Hindenburg - als Puzzlespiel.
Das Geduldsspiel an der Front, das Puzzle in den Pariser Salons, das Teile-Kästchen als Erziehungsmittel: die vertrackten Bilder haben eine lange und abwechslungsreiche Entwicklung. Die Kulturgeschichte des Puzzles zeigt jetzt das Neusser Clemens-Sels-Museum in einer facettenreichen Ausstellung auf.
"Gebt, Götter, mir Geduld", ist in Anlehnung an Shakespeares King-Lear-Ausspruch die volkskundliche Schau überschrieben, zu der wohl jeder Besucher gleich einen persönlichen Zugang findet. Wer hätte nicht auch schon über einem Wirrwarr an Teilchen gesessen, Ränder gesucht, über blauem Himmel gebrütet?
Die ersten, die die Puzzlegeduld beweisen mussten, sind Kinder des begüterten Bürgertums in England: Ein Kupferstecher klebt um 1760 Landkarten auf Holz, zersägt sie entlang der Grenzen und bietet das Ganze als Lehrmittel an.
Teuer sind diese geographischen Puzzles, nur wohlhabende Familien können sich das für den Hausunterricht leisten. Nur wenige Jahre danach fertigt man in Deutschland Karten auf Pappe und zerteilt sie mit dem Federmesser: Das macht die Puzzles erschwinglicher, populärer, doch noch bleibt die Erfindung aus England ein reines Lernmittel.
Das ändert sich mit der Biedermeierzeit, in Deutschland die hohe Zeit der Familie, des Rückzugs ins Private. Puzzles werden jetzt in der guten Stube gespielt, es gibt eine Fülle von Motiven, Lehrreiches, Erbauliches, es geht um Vermittlung von Rollenbildern, Sitte und Anstand. Johann Wolfgang von Goethe notiert über seinen Enkel: "Wölfchen spielte nach seiner Art, die zerschnittenen Bilder zusammensetzend."
Schließlich entwickelt sich die Geduldssache, für die die Ausstellung mehr als 30 Begriffe auflistet, zum Gesellschaftsspiel für Erwachsene. Man trifft sich in Salons, um Bilder edler Pferde, romantischer Landschaften oder realistischer Schlachtenszenen zusammenzusetzen.
Ungebrochen ist die Anziehungskraft der Puzzlespiele bis heute, kaum zu überblicken ihre Vielfalt. Die Ausstellung in Neuss bietet für kleine wie große Besucher eine spannende Entdeckungstour zur Geschichte dieses Mediums. Und wer mag, kann sich auch sein eigenes Puzzles sägen - Geduld vorausgesetzt.
Eröffnung im Clemens-Sels-Museum, Am Obertor, ist am Sonntag um 11.30 Uhr.