Hallervorden macht neues Theater
Das Programm: anspruchsvoll und unterhaltsam.
Berlin. Dieter Hallervorden leitet seit fast 50 Jahren die Berliner "Wühlmäuse" und liebt den Unruhestand. Daher steht er mit 73 Jahren wieder mal vor einem neuen Lebensabschnitt.
Dort, wo der junge Schauspielschüler Martin Held, Berta Drews oder Bernhard Minetti bewunderte, nimmt er nun selbst die Zügel in die Hand und wird zum ersten Mal in seiner 50-jährigen Karriere Intendant eines klassischen Sprechtheaters. Am 1. September eröffnet er das lange im Dornröschenschlaf gelegene Schlosspark-Theater in Berlin-Steglitz.
"Vorgänger wie Boy Gobert oder Boleslaw Barlog sind große Fußstapfen und ich hoffe, der große alte Barlog, der das Schlosspark-Theater ins Leben rief, wünscht mir von da oben toi, toi, toi", meint Hallervorden ebenso nachdenklich wie auch ein wenig stolz.
"Ich habe eine große Liebe zum Theater, und die will ich mit diesem ehrgeizigen Projekt nochmal unter Beweis stellen. Ich bin mit Leib und Seele Schauspieler und kehre damit auch zu meinen Anfängen und Wurzeln zurück", sagt der Mann, der als eiskalter Killer in Wolfgang Menges böser Satire "Millionenspiel" 1970 Furore und damit auch als Charakterdarsteller von sich reden machte. Später hatte er mit seiner TV-Unterhaltungsserie "Nonstop Nonsens" Einschaltquoten wie bei Fußballspielen.
Jeder Neuanfang hat auch seine Risiken. "Ich bin ein optimistischer Mensch. Das Schlosspark-Theater ist durch meine Investitionen für die nächsten 30 Jahre gerüstet, und wenn Sie mein Alter sehen, dann denke ich also über meine Zeit hinaus." Ist er ein Narr?
Die erste Spielplanbroschüre zeigt Hallervorden mit Narrenkappe und Nadelstreifenanzug im Theater sitzend. Es symbolisiert Hallervordens Programm, anspruchsvolles Sprechtheater und gute Unterhaltung, die für ihn immer etwas mit Haltung zu tun hat, auch mit "literarischem Tiefgang und philosophischem Rückgrat".
Zur Eröffnung gibt es eine französische Komödie (mit ihm und Ilja Richter in der Regie von Katharina Thalbach), danach Lessings "Nathan der Weise" vom Deutschen Theater Göttingen und das auch verfilmte dramatische TV-Duell "Frost/ Nixon" über den früheren US-Präsidenten Richard Nixon.
Auch Johanna von Koczian, Rosemarie Fendel, Günter Lamprecht, Hannelore Hoger, Michael Degen und Alfred Kirchner sind Namen, die Hallervordens enge Verzahnung mit der Theaterwelt deutlich machen. Gleich zwei Uraufführungen und zwei deutsche Erstaufführungen dokumentieren Risikofreude.
"Das Publikum darf mich nicht im Stich lassen, denn Theater ohne Publikum ist wie eine Badewanne ohne Wasser", meint der Hausherr und ist schon beim aktuellen Stichwort "Regietheater" angelangt. "Ich gehe viel ins Theater und habe erlebt, dass manche Inszenierungen nur dann die höheren Weihen erhalten, wenn das Publikum fernbleibt und die Kritik voll des Lobes ist. Das wird es hier nicht geben. Solange ich Verantwortung trage, wird Hamlet seine Ophelia nicht in der Sauna kennenlernen. Ich halte es mit Gründgens’ Motto: ,Mein Spielplan ist lieber unoriginell als publikumsfremd’", betont er.
"Ich glaube daran, dass die Menschen sich immer für das Live-Erlebnis ohne großes technisches Brimborium interessieren werden. Das Theater ist die Keimzelle unseres Berufes, es muss nur attraktiv genug bleiben, attraktiver jedenfalls als eine Fernseh-Talkshow."
Sagt er, steht auf und erinnert an den Satz des großen Max Reinhardt: "Theater ist der Schlupfwinkel für alle, die ihre Kindheit in die Tasche gesteckt und sich damit auf und davon gemacht haben." Manchmal sind unter ihnen auch "Narren", die für mehr Theater sorgen.