Ilja Richter: „Disco“ ist Lebensgefühl
Stuttgart (dpa) - Seine TV-Kultshow „Disco“ aus den 70er Jahre ist nach Ansicht von Ilja Richter nichts mehr fürs Fernsehen. „Disco gehört in das Lebensgefühl der 70er Jahre“, sagte der 58-Jährige der Nachrichtenagentur dpa in Stuttgart, wo er jetzt im Drama „Sechzehn Verletzte“ auf der Theaterbühne steht.
Um die Sehnsucht vieler dennoch zu stillen, geht er im Mai mit „Disco“ samt Stars und Bands der 70er Jahre auf Tournee durch 17 Städte.
Warum hat Ihre Kultshow eigentlich keinen Nachfolger im TV?
Richter: „Natürlich gibt es keinen Nachfolger, weil Disco in das Lebensgefühl der 70er Jahre gehört. Disco ist in dem Moment obsolet gewesen, als MTV und Viva etwas völlig Neues brachten: Musik-Videoclips. Das war eine neue Art von Guck- und Hinhörkultur. Nun sind die Musikkanäle verschwunden - geblieben ist die Erinnerung. Aber es ist nicht die Erinnerung an tausend Videoclips mit 98 000 Schnitten, sondern an ein Lebensgefühl im Zusammenhang mit Ritualen.“
Hat sich unser Fernsehverhalten denn geändert?
Richter: „Das ritualisierte Schauen von Sendungen gibt es aufgrund der veränderten Medienlandschaft nicht mehr. Da das nicht mehr so ist und der Fernseher dauerläuft, fallen auch Rituale weg. Und man erinnert sich umso mehr an Dinge, die man verbindet mit diesen Sendungen. Der Mensch ist ein sentimental zurückblickendes Tier. Nur muss man darauf achten, dass man das nicht übertreibt. "Disco" ist Vergangenheit. Wer ganz im Hier und Jetzt in die Vergangenheit blickt, kann nicht in sentimentaler Soße untergehen.“
Deshalb gehen Sie mit „Disco“ lieber auf Tournee?
Richter: „Ich mache die Tour nicht, um den Menschen zu sagen: Früher war es besser, früher war alles schöner. Wenn ich "Disco" präsentiere, dann auf familiär-lustige Weise, um einer Sehnsucht Befriedigung zu verschaffen. Da kommt keiner auf die Bühne, der die Zeit zurückdrehen will. Der Spaß, sich zu erinnern, muss nicht unbedingt ein sülzendes, triefendes, zurückblickendes Geseier sein, sondern ganz was anderes: gute Unterhaltung, Spaß, Lachen, auch ein bisschen Melancholie.“
Interview: Roland Böhm, dpa