Jelinek-Stück über Zschäpe

Handlung soll bei NSU-Prozess spielen.

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Zwickau. Sie heißen „Der weiße Wolf“, „Rechtsmaterial“, „Urteile“, „Unter drei“ oder „Die Lücke“: Überall in Deutschland haben Theater Stücke über den Terror des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) auf die Bühne gebracht. „Es ist ein Phänomen, das die Öffentlichkeit und auch die Theater schockiert und ermahnt, die eigene Wahrnehmung zu überprüfen“, erklärt der Vorsitzende der Intendantengruppe im Deutschen Bühnenverein, Ulrich Khuon, die Faszination für den Bühnenstoff NSU. Die Geschichte des NSU wirke, „als hätten die drei die RAF nachgespielt und sich in einem selbst geschriebenen Filmsetting bewegt“, sagt Khuon, Chef des Deutschen Theaters in Berlin.

Am Samstag geht die Geschichte der NSU-Stücke mit einer Literatur-Nobelpreisträgerin weiter: Elfriede Jelinek hat für die Münchner Kammerspiele „Das schweigende Mädchen“ geschrieben — ein Stück über den NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht, in dem die Hauptangeklagte Beate Zschäpe seit anderthalb Jahren schweigt.

Intendant Johan Simons inszeniert Jelineks Stück, das im Gerichtssaal spielen soll. „Zwischen Prozessprotokollen, Medienberichten und literarischen Referenzen wagt sie einen tiefen Blick ins Unbewusste der deutschen Seele“, heißt es in der Ankündigung im Spielzeitheft. Zschäpe werde an den Kammerspielen nicht konkret von einer Schauspielerin dargestellt, sagte eine Theatersprecherin. Wie bei Jelinek üblich sind einzelne Rollen nicht trennscharf zu unterscheiden.

„Eine Werwolf-Mordserie ist einem nie als das Mögliche erschienen“, sagte Autorin Jelinek, die sich sonst nicht zu ihren Arbeiten äußert, im Spielzeitheft im Interview mit Simons. „Man hatte sich eigentlich schon in Sicherheit gewiegt und die Neonazis fast als Folklore betrachtet.“ Auch sie habe „den Medien und ihren Fantasien von einer türkischen Mafia geglaubt“. „Wenn diese unglaublichen Lügen, die da verbreitet wurden, für wahr verkauft werden konnten, auch mir, die ich mir bis dahin immer eingebildet habe, ein kritischer Mensch zu sein, dann ist alles wahr und gleichzeitig alles gelogen.“

Die Beschäftigung mit dem NSU sei aber kein isoliertes Phänomen, meint Intendant Khuon. Auch „religiös aufgerüstete Politik“, ein Erstarken von Nationalismus und Antisemitismus, Globalisierung, die Flüchtlingsproblematik und das Erstarken der eurokritischen AfD seien Themen, mit denen sich deutsche Bühnen auseinandersetzen.