Leb' schnell und stirb dann jung

Das Junge Schauspielhaus zeigt ,,Frühlings Erwachen" in einer rasanten Inszenierung.

Düsseldorf. Das Leben ist eine Rutschbahn. Vor allem auf der Schwelle zwischen Kindsein und Erwachsenwerden gleitet einem leicht der Boden unter den Füßen weg: Da sind der Druck der Schule, die Ansprüche der Eltern und die ganz anderen Forderungen, die das Bestehen im Freundeskreis an einen stellt. Von den "ersten Regungen" in erotischer Hinsicht gar nicht zu reden.

Über die schwierige Situation in der Pubertät hat Frank Wedekind vor über 100 Jahren ein Theaterstück geschrieben, das auch heute noch gerne aufgeführt wird, obwohl manches etwas angestaubt wirkt. Eine spannende aktuelle Neufassung hat der junge deutschtürkische Theatermacher und Autor Nuran David Calis geschrieben: "Frühlings Erwachen (Live Fast - die Young)", in Düsseldorf jetzt von Gerald Gluth als sportliches Ereignis inszeniert.

Die Bühne ist eine Rutschbahn. Von der oberen Sphäre der Erwachsenen gleiten die Jugendlichen hinab in ihre Welt. Sie treffen sich stets am "Brunnen", das ist zwar nur ein schmaler Wassergraben, aber immer noch groß genug, um hineinzustolpern oder einzutauchen, mit Lust oder Verzweiflung und ohne Rücksicht auf die hippen Klamotten (Bühne und Kostüme: Andrea Eisensee und Martin Fischer).

Das Ensemble zeigt akrobatische Fähigkeiten und große Spielfreude: Überzeugend der weibliche Neuzugang Tina Amon Amonsen als selbstbewusste Wendla, die lieber eine schlechte Erfahrung als gar keine Erfahrung machen will, zum Entsetzen ihrer (von Friederike Linke etwas allzu brav gezeichneten) Mutter.

Wendla verliebt sich in Melchior (Alexander Steindorf), das Alphatier der Gruppe, der auch ins Rutschen kommt, als er hört, dass sie schwanger ist. Zumal die jungen Leute erschüttert sind über den Freitod ihres Mitschülers Moritz, den Christoph Seeger-Zurmühlen anrührend in seiner Lebensangst zeigt. Moritz träumt von Amerika und vom Tiefseetauchen. Und so taucht er ab in eine andere Welt, was Thorsten Alich in beeindruckende Videobilder übersetzt, die Rutschbahn eignet sich nämlich auch als Projektionsfläche.

Martha wird von ihren Eltern brutal geprügelt, aber sie lässt sich davon den Lebensmut nicht rauben - wie Sina Ebell sehr schön vermittelt. Bastian Sierich zeigt sensibel die verschiedenen Seiten von Hans, der zwar den großen Macker gibt, sich aber danach zurücksehnt, als kleiner Junge vom Vater in den Arm genommen zu werden. Etwas oberflächlicher ist die Figur der Ilse (Viola Pobitschka), die endlich einmal mit einem Mann zur Sache kommen möchte und deshalb mit Moritz’ stiller Verehrung und seinen Gedichten nichts anfangen kann.

Warum jedoch René Schubert als Vater von Moritz in der Pose eines Entertainers auftreten muss, bleibt das Geheimnis der Regie, die ab und an dem Hang zu forcierter Bühnenshow erliegt. Das junge Publikum aber war von der rasanten Aufführung angetan: jubelnder Applaus. 2 Std. mit Pause, weitere Auff.: 8., 9. Sept., 10.9. im Internet ausverkauft, 15.+17. Okt. 10 Uhr, 16. Okt. 19.30 Uhr, Junges Schauspielhaus, Münsterstr. 446, Karten: 0211/8523710