Filmfest: Toronto ist spannend wie nie
In Toronto ist das deutsche Kino prominent mit 36 Produktionen vertreten.
Toronto/Venedig. Für Caroline Link ist Toronto ein Glückslos. 2002 stellte die deutsche Regisseurin hier ihren Film "Nirgendwo in Afrika" vor. Ein halbes Jahr später erhielt sie dafür den Oscar. Beim Internationalen Toronto Filmfestival vom 4. bis 13. September feiert Links neues Werk "Im Winter ein Jahr" Weltpremiere. Die größte und wichtigste Filmschau Nordamerikas gilt traditionell als Auftakt für die Filmpreis-Saison in Hollywood. Das deutsche Kino ist mit 36 Produktionen und Koproduktionen prominent vertreten.
Seit Wochen richtet sich die Millionenmetropole am Ontario-See auf ein Großaufgebot an Stars ein. Mehr als 500 Prominente stehen auf der Gästeliste, so Brad Pitt, Jennifer Aniston, Keira Knightley, Edward Norton und Renée Zellweger. Filmgrößen wie Matt Damon, Josh Brolin und Julian Schnabel sind bei mehreren Diskussionsforen vertreten.
Caroline Links "Im Winter ein Jahr" hat seine Premiere am 9.September in der renommierten Reihe der Galavorführungen. Die 44-jährige Münchnerin ("Jenseits der Stille") erzählt in ihrer vierten Kinoarbeit erneut eine bewegende Familiengeschichte. Ein bekannter Maler bekommt darin von einer trauernden Mutter den Auftrag, ein gemeinsames Porträt ihrer 22-jährigen Tochter und des vor einem Jahr tödlich verunglückten 19Jahre alten Sohnes zu malen.
Bei der Arbeit an dem Bild entsteht zwischen dem Künstler und dem Mädchen eine besondere Beziehung, die nach und nach die spannungsgeladene Psychologie der Familie freilegt. Neben Corinna Harfouch, Josef Bierbichler und Hanns Zischler überzeugt Nachwuchsschauspielerin Karoline Herfurth als Tochter Lilli. Der Film startet am 13. November in den deutschen Kinos.
Premiere feiert auch Max Färberböcks Nachkriegsdrama "Anonyma - Eine Frau in Berlin", in dem Nina Hoss nach einer wahren Biografie die Rolle einer vergewaltigten Trümmerfrau spielt. Weitere deutsche Akzente setzen Marco Kreuzpaintners Otfried-Preußler-Verfilmung "Krabat", Andreas Dresens "Wolke 9", Hans Steinbichlers "Die Zweite Frau", Christian Petzolds "Jerichow" und Schroeters "Tonight".
Auffallend häufig sind Koproduktionen unter deutscher Beteiligung, bei denen ein Ausländer Regie führt. Herausragendes Beispiel:t das Holocaust-Drama "Ein Leben für ein Leben - Adam Resurrected" von US-Filmemacher Paul Schrader. In der Kinoadaption des israelischen Bestsellers "Adam Hundesohn" spielen neben den Hollywood-Größen Jeff Goldblum und William Dafoe die deutschen Stars Joachim Król, Veronica Ferres, Moritz Bleibtreu und Juliane Köhler.
Insgesamt werden in Toronto dieses Jahr 312 Filme aus 64 Ländern gezeigt, akribisch aus einem Angebot von 4200 Werken ausgewählt. Nach vielen Politthemen im vergangenen Jahr sieht der neue Kodirektor des Festivals, Cameron Bailey, einen Trend zu persönlicheren, kleineren Geschichten, die nicht unbedingt auf den kommerziellen Erfolg setzen. "Ich denke, hier gibt es doppelte Bemühungen bei den Filmemachern", sagte er. Als Beispiele für hochwertiges Kino nannte er etwa die Actionkomödie "The Wrestler" von Darren Aronofsky und "Rachel Getting Married" von Jonathan Demme.
Die größten Stars des Festivals, die Brüder Joel und Ethan Coen, die im vergangenen Jahr ihren späteren Oscar-Hit "No Country for Old Men" hier vorstellten, legten diesmal schon in Venedig eine furiose Premiere hin. Ihre CIA-Komödie "Burn After Reading" mit George Clooney und Brad Pitt dürfte auch hier zu den Höhepunkten des Programms gehören. Angesichts der schwierigen Wirtschaftslage geht es für viele Filme ohnedies nicht nur um einen Startplatz für die Oscars, sondern um einen Verleih.
In Venedig sieht es anders aus. Regisseur Werner Schroeter hat mit dem Wettbewerbsfilm "Nuit de Chien" eine ganz andere Seite aufgeschlagen. Der für seine melodramatischen Akzente bekannte Deutsche schildert äußerst pathetisch, provokativ und opernhaft die katastrophale Nacht in einer Hafenstadt, die völlig im Chaos der Gewalt versinkt. In der französisch-deutsch-portugiesischen Koproduktion sucht ein Arzt und Bürgerkriegskämpfer (Pascal Greggory) erfolglos seine alte Liebe und verstrickt sich in die allerletzten Versuche der Menschen, einfach zu überleben.
"Gewalt, Scheitern und Zerstörung sind das Thema", erläutert der Regisseur, der mit seinem schwarzen Hut und weißer Rose am Lido auftrat. Natürlich wirft der Film, der in pessimistischen Bildern schwelgt, für ihn die Frage auf, wie es nach einem solchen Tanz auf dem Vulkan Platz für Zukunft und Utopie geben kann. Junta-Diktatur und Bürgerkrieg bringt auch das episch-politische Werk "Teza" des äthiopischen Filmemachers Haile Gerima: Elegisch schöne und gleichzeitig elendig-traurige Bilder aus einem von Gewalt und Blutvergießen traumatisierten Land unter dem marxistischen Mengistu-Regime und in der Zeit danach prägen den 140-Minuten-Streifen.