Ruhrtriennale: Der Ernst des leichten Spiels
Die diesjährige Ruhrtriennale widmet dem Regisseur Luc Bondy eine Werkschau zum 60. Geburtstag.
Düsseldorf. Wer sich auf einen Catwalk der Bühnenstars in geleckter Hochglanz-Avantgarde gefreut hatte, der sah sich getäuscht. Als Regisseur Luc Bondy erst zum Schauspielchef und dann zum Intendanten der Wiener Festwochen avancierte, setzte er keineswegs auf theatralischen Konservatismus. Die ganze Palette der Theaterstile bis zum Experiment sollte es sein, sagte der Regisseur damals: "Damit Sie nicht denken, mit Bondy wird’s gemütlich und bürgerlich."
Das Verdikt des Bürgerlichen haftet Luc Bondy, dem die Ruhrtriennale anlässlich seines 60. Geburtstages eine Werkschau ausrichtet, seit Langem an. Keine Frage, neben Generationsgenossen wie Gosch oder Castorf wirkt der in der Schweiz geborene und in Frankreich aufgewachsene Regisseur geradezu leichtfüßig.
Hier erstickt nichts in brütender Finsternis, strandet in Sprachlosigkeit oder wütet in Brüllorgien. Bondys Theater ist Schauspielertheater, er entwickelt seine Inszenierungen ganz aus der analytischen Durchdringung der Figuren. Diese Analyse speist sich aus einer kulturellen Doppelnatur: französische clarté paart sich mit psychologischer Tiefenauslotung, statt sich in teutonischer Schwere zu verlieren.
Ob Bondy nun Marivaux, Schnitzler, Botho Strauß oder Opern inszeniert, seine Arbeiten sind durchdrungen von einem Hang zum Spielerischen. Lustvoll zeigt er immer wieder die Mittel der theatralischen Verzauberung her. Sein großes Thema ist dabei das Begehren - der Mensch als erotische Spielernatur, der Sehnsucht und Verlangen immer neue Lebensvolten abverlangen. Keine Strategie, die nicht von der Lust durchkreuzt würde.
Das ließ sich auch bei Shakespeares "König Lear" beobachten, das Bondy jetzt als Gastspiel des Wiener Burgtheaters in Duisburg inszenierte. Der goldgewandete Lear zerreißt eine Karte seines Reiches und verteilt sie an seine Töchter Cordelia, Regan und Goneril. Doch aus der Macht verteilenden Liebesprobe wird schnell die Liebestributforderung: Cordelias Schweigen und Kents Widerspruch beantwortet der Alte mit Prügeln, Messerstichen und cholerischen Anfällen.
Gert Voss spielt den Lear als herrischen Machtmenschen. Dass seine modern anmutenden Töchter Goneril und Regan (Andrea Claussen und Caroline Peters) ihn aus dem Haus treiben, wird so nachvollziehbar. Gestrandet auf der Heide, brüllt Lear auf einer Mülltonne wie ein grotesker Hydepark-Redner seinen Wahnsinn hinaus, während der zwischen Kind und Clown changierende Narr (Birgit Minichmayr) die Windmaschine betätigt.
Bondy injiziert Shakespeare damit einen Schuss Beckett oder Tabori, ohne an Ernst zu verlieren. Auch wenn es der viereinhalbstündigen Inszenierung am Ende an und Konzentration fehlt, bleibt ein großer Schauspielerabend im konventionellen psychologischen Regiestil.