„Mein Kopf ist eine Bombe“: Schau über Jörg Hube
München (dpa) - Was ist normal und was verrückt? Eine Frage, die den Schauspieler Jörg Hube schon als Kind beschäftigt hat. Denn mit seiner Art eckte er an. Lehrer beschrieben ihn als jähzornig und frech.
Eine Schule nach der anderen setzte den Störenfried an die Luft, bis Hube schließlich 1963 die Konsequenzen zog und die Schule mit knapp 20 Jahren kurz vor dem Abitur abbrach. Ein Sorgenkind, so schien es. Weit gefehlt: Frei vom Unterricht konnte Hube als Schauspieler und Kabarettist endlich zeigen, was in ihm steckte, ein Künstler, der die Zuschauer mit der Wucht seines Spiels und mit seinem scharfen Humor begeisterte.
Eine kleine Ausstellung im Münchner Literaturarchiv Monacensia und ein Buch geben nun intime Einblicke in das Leben des Charakterdarstellers, der 2009 starb. „Mein Kopf ist eine Bombe“ nennt sich die Schau, für die Kuratorin Eva Demmelhuber Dokumente aus dem Nachlass zusammengetragen hat: Kinderzeichnungen, Briefe, Zeugnisse, Manuskripte, Tagebucheinträge und Fotos. Sie zeigen die Einsamkeit, unter der Hube als Kind litt, verbrachte er doch viele Jahre in Internaten und Kinderheimen, fern von zu Hause.
„Ich fühle mich so verlassen, ich habe keinen einzigen Freund auser Willi“, schrieb der Neunjährige im Winter 1953 nicht ganz fehlerfrei an seine Mutter. Und drei Monate später: „Ich möchte nach Hause fahren. Schicke das Fahrgeld bitte.“ Das „braf sein“ fiel ihm schwer - das bemängelten die Lehrer immer wieder, vor allem seinen freizügigen Gebrauch von Schimpfworten: „Das "Rindvieh" war darunter noch am salonfähigsten“, schrieb etwa eine Pädagogin.
Doch gerade dieses Ungestümsein, seinen Widerspruchsgeist und seinen satirischen Humor schätzte das Publikum an Hube so sehr. Nicht nur seine Auftritte aus der Kabarett-Reihe „Herzkasperl“ waren beliebt. Auch an den Kammerspielen, am Bayerischen Staatsschauspiel und an der Staatsoper war er zu sehen, ebenso wie im Kino („Die weiße Rose“) und im Fernsehen („Löwengrube“). Seine letzte Fernsehrolle war als Kommissar im „Polizeiruf 110“ aus München.
Ein Grantler mit viel Herz und einem Hang zur Melancholie, so wurde Hube von vielen beschrieben, die mit ihm zusammengearbeitet haben. „Die Wärme, die er "erzeugte", wenn man sich traf, ist mir am intensivsten in Erinnerung“, schreibt etwa der Drehbuchautor und Hörspielregisseur Willy Purucker in dem Buch „Jörg Hube. Herzkasperls Biograffl. Ein Künstlerleben“, das Demmelhuber herausgegeben hat. Auch andere Freunde und Vertraute kommen darin zu Wort, darunter auch seine Tochter Johanna. Ergänzt wird das Werk mit Tagebucheinträgen Hubes, Briefen und viele Fotos.
Jörg Hube - das Sorgenkind, das trotz aller Bedenken seinen Weg gegangen ist. Vielleicht auch Ansporn für all jene, deren Lebenslauf auf ähnlich krummen Wegen verläuft. „Wenn einer anders denkt, als die Norm, dann gilt er als gefährlich“, formulierte es Demmelhuber am Mittwoch bei der Präsentation ihrer Ausstellung. Hube schrieb mit 15 Jahren in einem Brief an seine Eltern: „Oft frage ich mich, bist Du nun verrückt oder über die anderen weit intelligent?“