Melancholischer Friedhof der Kuscheltiere
Karin Neuhäuser inszeniert „Kasimir und Karoline“ am Düsseldorfer Schauspielhaus.
Düsseldorf. Wie Krise und Wirtschaftslage auch ins Private hinein wirken, das beschrieb Ödön von Horváth bereits 1932 in seinem Stück "Kasimir und Karoline". Das Düsseldorfer Schauspielhaus wählte es bereits vor mehr als einem Jahr aus, doch gerade derzeit erhält seine Sozialkritik drängende Aktualität.
Und das, obwohl sich Regisseurin Karin Neuhäuser mit deutlichen Bezügen zur Jetztzeit zurückhält. Wie die "Verhältnisse ins Rutschen kommen", wenn die "Ökonomie in Schieflage gerät", das scheint absolut zeitlos zu sein.
Chauffeur Kasimir wurde "abgebaut", ist also arbeitslos und versucht, den Frust darüber bei einem Besuch des Münchner Oktoberfests mit seiner Verlobten Karoline zu betäuben. Dass Markus Scheumann als Kasimir einen grauen Anzug mit T-Shirt trägt, lässt ihn nur entfernt aussehen wie einen Banker.
Ansonsten bleiben die Kostüme im bayerischen Chic mit Dirndl, Janker und Lederhosen. Dass sich Karoline von Kasimir an diesem Abend trennen will, davon ahnt er noch nichts. Sie hat noch Größeres vor und erhofft sich durch die Bekanntschaft mit dem adretten Schürzinger (herrlich verklemmt: Daniel Nerlich), dem großkotzigen Kommerzienrat Rauch (Michael Schütz) und dem Landesgerichtsdirektor Speer (Winfried Küppers) einen gesellschaftlichen Aufstieg.
Immer wieder kreuzen sich die Wege des verkrachten Paares, immer wieder sieht es fast nach einer Versöhnung aus zwischen Karoline (angenehm zurückgenommen: Nadine Geyersbach) und Kasimir, den Markus Scheumann manchmal etwas verzappelt.
Doch am Ende zieht Kasimir ernüchtert mit seiner neuen Freundin Erna ab, der Cathleen Baumann masochistische Komik verleiht. Ihr krimineller Ex, der Merkl Franz, wird von der Polizei abgeführt. Thiemo Schwarz begeistert als ruppiger Prolet.
Die gelungene Bühne von Franz Lehr (auch Kostüme, beides betreut von Konrad Matthias Knofe für den erkrankten Lehr) besteht aus einer schrägen, sich fast permanent drehenden Spielfläche. Sie unterstützt die temporeiche Aneinanderreihung der teils grotesken Momentaufnahmen, die das Stück bietet.
Kühles Licht von einem Kranz aus bunten Neonröhren und die Musik von Matthias Flake zaubern Rummelplatzeffekte, ohne platt realistisch zu sein. Aus dem Himmel regnet es Stofftiere. Am Ende der bierseligen Nacht liegen sie in fahl grünem Licht wie Opfer dieser emotionalen Schlacht über die Bühne verstreut.
Denn die Stimmung des Abends kippt nach der Pause. Die Sentimentalität der Figuren steigt gleichzeitig mit der Promille an. Die Regisseurin verlangsamt nun die Ereignisse und streut immer wieder melancholische Liebeslieder ein. Doch das nimmt der Inszenierung leider den Schwung.
Während der erste Teil mit seinen kleinen Erzählbögen auf den Punkt sitzt und die Figuren stimmige Prägnanz entwickeln, sorgt das mangelnde Timing im zweiten Teil für ein zerfasertes Ende. Da hätten ein paar Striche gut getan. Deshalb am Schluss nur zurückhaltender Applaus für die Regie.