Mit 40 Jahren reif für die Nostalgie-Welle
Im Essener Colosseum baut „Ich will Spaß“ auf Hits der 80er von Markus bis Nena.
Essen. Acht Protagonisten, acht Lebenswege. Teilweise erst am Anfang. Teilweise in einer Sackgasse. Teilweise auf Umkehr. Die Abiturientinnen Cleo und Rosi träumen vom Trip durch Europa, der 15-jährige Tommie will erwachsen werden. Sein älterer Bruder Ritch ist fast 30, wurschtelt sich als Lagerarbeiter durchs Leben und mimt den starken Typen.
Cleos alleinerziehende Mutter Flora glaubt an Flowerpower, Rosis Eltern, Doris und Herbert stagnieren in einer konservativen Ehe. Falk, Ritchs Vater, kehrt nach 15 Jahren Hippie-Dasein zurück und will Versäumtes wieder gut machen.
Wir schreiben das Jahr 1983. Wer damals im Alter von Cleo und Rosi war, ist heute Anfang bis Mitte 40. Das perfekte Alter für ein "Comeback der schönsten Erinnerungen". Das ist, rein sprachlich, zwar Schwachsinn - jede Erinnerung für sich ist ein Comeback - weist aber inhaltlich in die richtige Richtung.
Denn der Slogan fürs Musical "Ich will Spaß", das im Essener Colosseum Premiere feierte, meint: Ihr, die ihr reif seid für Nostalgie - genießt dieses Gefühl! Und weil, zumindest noch im Abi-Alter, die Charts die Setliste für den Soundtrack des Lebens vorgeben, ist "Ich will Spaß" randvoll mit Hits der "Neuen Deutschen Welle".
Titelgebend ist jenes Stück, das Markus 1982 veröffentlichte, daneben sind rund 20 weitere Hymnen aus einer Zeit vertreten, als die Popmusik in deutscher Sprache jugendtauglich wurde. "99 Luftballons" (Nena), "Da da da" (Trio) und "Sternenhimmel" (Hubert Kah), "Codo" (DÖF), "Skandal im Sperrbezirk" (Spider Murphy Gang) und "Hohe Berge" (Frl. Menke), "Bruttosozialprodukt" (Geiersturzflug), "Carbonara" (Spliff) und "Eiszeit" (Ideal) - all das garantiert schon die halbe Miete.
Die Stücke kommen mit neuen Arrangements und Live-Band überzeugend daher. Stimmlich sind die Darsteller der Elterngeneration - allen voran die wirklich großartige Claudia Stangl (Flora) - denen der Kinder überlegen.
Die knatschige Intonation von Romina Langenhan als Cleo ist grundsätzlich gewöhnungsbedürftig. Die Drei-Stunden-Show gerät temporeich und knallig, aber nicht immer schlüssig. Einige Requisiten gehören eindeutig in die 1970er, gleiches gilt für die Kostüme. Handlung und Musik ergänzen einander nicht immer. Das klappt bei "Mamma Mia!" besser.
Positiv: Die Dialoge sind zum Teil sehr witzig, das Bühnenbild mit einem überdimensionalen, aufklappbaren Zauberwürfel, der in seinem Inneren 155Quadratmeter Spielfläche auf drei variablen Etagen verbirgt, eine raffinierte Mischung aus Barbiepuppenhausen und Hitchcocks "Das Fenster zum Hof" im Quadrat. Trotz kleiner Schwächen werden die, die Anfang der 1980er Abi gemacht haben, "Ich will Spaß" (Regie: Carline Brouwer, Bühne: Christoph Weyers) wohl mögen.