Musik wird Tanz - Tanz wird Musik
Wolfsburg (dpa) - Er hat das Pferd von hinten aufgezäumt: Zuerst legte Starchoreograph Kenneth Kvarnström die Musik fest, dann entwarfen drei Modedesigner Kostüme dazu und erst zuletzt entwickelte der Finne seine Choreographie.
„Play“ heißt sie - und die Deutschlandpremiere des Stücks begeisterte am Mittwochabend das Publikum im historischen Kraftwerk des Volkswagen-Werkes in Wolfsburg.
Zum zehnten Mal laufen dort und an anderen Plätzen bis zum 20. Mai die Movimentos-Festwochen der VW-Autostadt, die sich längst einen der vorderen Plätze in der europäischen Tanzfestival-Szene erobert haben. Neben Tanz stehen auch Jazz- und Popkonzerte sowie Lesungen mit Prominenten auf dem Programm.
Mit Kenneth Kvarnström haben die Organisatoren einen der angesagtesten skandinavischen Choreographen nach Wolfsburg geholt. „Er tanzt die Noten, die Noten springen geradezu“, schwärmt der TV-Journalist und Tanzkenner Jürgen Wilcke, der das Publikum in das Stück einführt.
Kvarnström versucht in sieben Szenen den Entstehungsprozess einer Choreographie ironisch unter die Lupe zu nehmen. Die Freude am Tanz, an der Musik und an den Kostümen ist jederzeit spürbar.
Da räkelt sich etwa eine in schwarze Reizwäsche gekleidete Tänzerin nach Musik von Frédéric Chopin lasziv auf einem Teppich. Oder die Compagnie tanzt in bodenlangen, fließenden schwarz-roten Gewändern, die selbst das Gesicht bedecken, nach Variationen von Johann Sebastian Bach. Die Grenzen der Geschlechter werden dabei verwischt, ob Frau oder Mann, alle tragen gleiche Kostüme und bewegen sich gleich. Der Zauber der Szene wird jäh von dem profanen Satz „Ich brauche Wasser“ gebrochen - er erinnert an die körperlichen Strapazen der Tänzer.
In einer besonders humorvollen Szene tragen die Künstler Schottenröcke und versuchen, sich nach der Musik Antonio Vivaldis besonders elegant und sexy zu bewegen. Als das misslingt, verwandeln sie sich in eher tumbe Machos und beantworten schließlich die Frage, was denn nun unter dem Schottenrock getragen wird: nichts.
Vier Streicher, eine Pianistin und ein Theorben-Spieler machen live Musik - und vier der Tänzer zeigen zudem ihr musikalisches Talent als A-capella-Chor. Diese unterschiedlichen künstlerischen Elemente verbindet Kvarnström zu einem runden Tanzabend, der frech, lustig und leicht, aber auch mit Ernsthaftigkeit unterhält.