Queen of Rock in Höchstform
Vor 15000 Fans zeigte Tina Turner in Köln, dass sie auch mit 69 Jahren noch genug Power für eine Europatournee besitzt.
Köln. Und sie kann es immer noch. Mit ihren 69 Jahren hat Tina Turner an Power und Sexappeal nichts eingebüßt. Im knappen und glitzernden Armani-Outfit begeisterte sie am Mittwochabend zum Auftakt ihrer Europatournee rund 15 000 Fans in der ausverkauften Kölner Arena. Eine Vorgruppe, wie sie viele andere Bands zum Anheizen des Publikums gerne vor dem eigentlichen Konzert auf die Bühne schicken, gehörte nicht zum Programm. Und war auch nicht nötig. Die Spannung und Vorfreude der Fans auf die "Queen of Rock" war schon zu spüren, bevor sich der rote Bühnenvorhang überhaupt öffnete. Und so sorgten acht Jahre Bühnenabstinenz, die seit ihrer eigentlichen Abschiedstournee im Jahr 2000 vergangen sind, zusätzlich für Neugierde unter den Anhängern.
Tina Turner enttäuscht sie nicht. Schon beim Eröffnungstitel "Steamy Windows" lässt sie keinen Zweifel daran, dass die achtfache Grammy-Gewinnerin den Titel der "Queen of Rock" zurecht trägt. Ihre Stimme ist gewaltig und kräftig, zu keiner Minute des zwei Stunden dauernden Konzertes wirkt die Sängerin kurzatmig oder erschöpft. Auch die Fitness der 69-Jährigen ist bemerkenswert. So kann sie sich in die Schrittfolgen ihrer vier durchtrainierten Tänzerinnen mühelos einreihen und die Tanzpassagen ohne Probleme durchhalten. Sogar am Ende ihres Auftritts wirkt Tina Turner frisch wie beim ersten Lied.
Zum musikalischen Querschnitt ihrer Karriere gehören an diesem Abend Klassiker wie der 1984 veröffentlichte Song "Private Dancer", Tina Turners erste Singleauskopplung und ihr erster Nr.1-Hit in den USA "What’s love got to do with it" sowie "We don’t need another hero". Diesen interpretiert sie im übertrieben und etwas lächerlich wirkenden Originalkostüm aus dem Actionfilm "Mad Max", in dem sie 1980 eine Gastrolle hatte. Ergänzt wird das Bühnenbild durch Filmszenen, die im Hintergrund über die riesige Leinwand flimmern. Ähnlich in Szene gesetzt ist auch ihr 007-Song "Golden Eye", bei dem Tina Turner durch die überdimensionale James-Bond-Iris auf die Bühne kommt.
Ihre körperlichen Ressourcen weiß sie perfekt einzuteilen. Wenn die Powerfrau Verschnaufpausen benötigt, zieht sie sich dezent hinter die Bühne zurück. Ihre Show übernehmen zwischendurch für einige Minuten Background-Sängerinnen und vier Ninja-Kämpfer, die keine Mühe haben, das textsichere und vom Alter her breit gestreute Publikum bei Laune zu halten.
Dass Tina Turner überhaupt erneut auf Tournee geht, hat sie ihren engen Freunden Giorgio Armani und Sophia Loren zu verdanken. Diese drängten sie regelrecht dazu, die lange Pause in ihrer Wahlheimat Schweiz zu beenden und wieder auf die Bühne zu gehen. Und warum gerade Köln als Tourneeauftakt? Hier hat die einstige Wahlkölnerin von 1989 bis 1994 gelebt und auch heute schätzt sie insbesondere das Shopping in der Domstadt. Für die Kölner Konzerte lieferten 21 Lkw die rund 45 Tonnen schwere Bühnenausrüstung in die Arena.
Dass es noch eine Steigerung ihrer Leistung gibt, beweist die Rockröhre nach der etwa 40-minütigen Pause. Sie startet mit einer Hommage an die Künstler, die sie in ihrer fast fünf Jahrzehnte langen Karriere inspiriert haben: Hierzu gehören der von den Beatles stammende Titel "Help", ihr erster Charterfolg "Let’s stay together" von Al Green, Robert Palmers "Addicted to love" und ein schnelles und wahnsinnig rockiges Rolling-Stones-Medley mit den Hits "Jumping Jack Flash" und "It’s only Rock’n’Roll". Spätestens jetzt hält es niemanden mehr auf seinem Platz.
Als schließlich die ersten Töne von "The Best" erklingen, flippt die Masse regelrecht aus und bedankt sich mit jubelndem Applaus. Tina Turner erreicht nun ihre absolute Höchstform und setzt mit "Proud Mary", einem Hit aus den frühen 70er Jahren, noch einen drauf. Mit "River deep, mountain high" geht die Zeitreise in die 60er zurück, als Tina Turner noch mit ihrem damaligen Ehemann Ike liiert war. Der Song landete damals auf Platz drei der englischen Charts und machte die gemeinsame Band von Ike und Tina auch in Europa bekannt.
Nach zwei Stunden Show hat die Rocklady immer noch genug Ausdauer, um sich in "Nutbush City Limits" auf einer Hebebühne über den Innenraum fahren zu lassen, ihren Oberkörper über die Brüstung zu werfen und anschließend den schmalen Kranarm mit High Heels sicher entlang zu stöckeln. Innehalten muss in diesem Moment nur das Publikum. Nach acht Jahren Pause hat Tina Turner eindrucksvoll bewiesen, dass sie noch lange keine Rock-Oma ist.