Interview: Zwei Staatstheater für NRW
Theaterintendant Frank Baumbauer erklärt, warum Essen und Köln den Titel und mehr Geld vom Land bekommen sollten.
Herr Baumbauer, welche Chance sehen Sie für NRW, wenn das Land zwei Staatstheater benennt?
Baumbauer: Das müssen Sie eigentlich die Politiker fragen, die uns eingeladen haben, diese Vorschläge zu machen. Die realen Chancen kann ich nicht beurteilen. Ich bin als Theatermann immer etwas skeptisch, aber ich fand den Vorschlag von NRW ziemlich klasse, zu sagen: Wir sind so ein großes Bundesland und reich an Kultur, aber es gibt so wenig Herausragendes. So eine Kommission ist dann hoffentlich nicht nur ein kleines Alibi.
Also sind Sie ein Befürworter der Staatstheater-Idee?
Baumbauer: Ja, ich befürworte sie sogar heftigst. Ich denke, es gibt einige gute Theater in NRW. Und es ist verdammt ärgerlich - und da werde ich fast zum Patrioten -, dass es wirklich so wenige kontinuierlich herausragende Häuser gibt. Das ist schade für so ein tolles Land. Es gibt viel Potenzial, das man wachküssen müsste.
Was ist denn für ein Theater wichtiger: das zusätzliche Geld oder der Titel?
Baumbauer: Der Titel ist das Bekenntnis. Das Geld spielt die Rolle. Ich habe große Theater leiten dürfen und weiß, dass man mit Talent, Engagement und Können einiges machen kann. Aber um in der Liga mitzuspielen, wie es sich NRW wünscht, muss man schon in die Kunst investieren.
Weshalb fiel die Wahl gerade auf Essen und Köln, die Staatstheater bzw. Staatsoper werden sollen?
Baumbauer: Natürlich gibt es Städte, die genauso hoch angesehen sind. Etwa Bochum, das ist eine wunderbare Theaterstadt. Aber ich glaube, Bochum würde es ohne Titel und ohne Geld schaffen. Bochum nicht zu einem super Theater zu machen, das muss man erst mal hinbekommen. Das muss ich jetzt mal frech sagen.
Das kann sich ja jetzt wieder ändern...
Baumbauer: (lacht) Ja, aber ich finde in Köln, wo so viele Künste blühen, Film, bildende Kunst, Musik, Szene, da ist es doch total schade, dass das Theater Ewigkeiten keine Rolle mehr spielte. Da könnte man die hochverfehlte Kulturpolitik Kölns nun mal etwas korrigieren.
Im Moment ist ja Karin Beier in Köln auf einem guten Weg, ohne den Titel Staatstheater und ohne das zusätzliche Geld.
Baumbauer: Wir haben ja nicht nur in die Dinge reingeschnuppert, sondern uns mit ihnen befasst. Karin Beier steht ja fürs Schauspiel, ich spreche aber durchaus auch von der Kölner Oper und dem Tanz. Durch Karin Beier herrscht eine wunderbare Sturm- und-Drang-Phase. Aber ob die Haltbarkeit auch gewährleistet ist? Karin Beier hat von Null angefangen, das Theater war weg vom Fenster. Da kann man sehr viel leichter gewinnen. Das jetzt fortzusetzen, jenseits aller Baumaßnahmen, die anstehen, da braucht man eine kräftige Unterstützung und endlich mal ein deutliches Bekenntnis.
Und in Essen? Da hat sich durch Anselm Weber vieles getan. Jetzt wechselt der aber nach Bochum.
Baumbauer: Dass Essen Staatstheater werden sollte, hat nichts mit Herrn Weber oder Herrn Soltesz zu tun, sondern mit den Städtenund ihrer Bereitschaft. Man sieht ja bei Anselm Webers junger Truppe, die bezüglich des Geldes gar nicht konkurrieren kann mit großen Häusern, dass sie Theater in die Stadt hineinbringt und die Stadt ins Theater holt. Essen hätte es verdient, von der Landespolitik unterstützt zu werden.
Kulturstaatssekretär Grosse-Brockhoff hat sich eher ablehnend der Staatstheateridee gegenüber geäußert.
Baumbauer: Ja, gut, da sind wir, die Experten, anderer Meinung. Wir mussten uns ja nicht stromlinienförmig den Möglichkeiten anpassen, sondern haben uns erlaubt, Utopien zu entwerfen.
In Düsseldorf herrscht ja nun eine gewisse Beleidigtheit, weil weder Rheinoper noch Tonhalle vorgeschlagen wurden und das Schauspielhaus auch nicht, weil es sowieso quasi Staatstheater ist.
Baumbauer: (lacht) Ja, es ist mir klar, dass ich als persona non grata nie mehr nach NRW einreisen darf. Das Düsseldorfer Schauspielhaus wird vom Land schon stark berücksichtigt. Zweitens hat die Rheinoper eine Position, da stellt sich nur die Frage, was sie daraus macht. Ganz subjektiv meine ich, dass Düsseldorf eine hochrepräsentative Oper mit Ballett hat, und das funktioniert in der Stadt auch ganz gut. Ich finde das Geld in Köln mit einer wesentlich größeren Breite an Kulturen besser angelegt. Dort sollte es ein unterstütztes Spitzentheater geben. Düsseldorf ist das sowieso. Dass das Schauspielhaus manchmal zu wenig macht aus seinen Möglichkeiten, finde ich extrem bedauerlich. Wenn Herrn Gosch ein oder zwei tolle Inszenierungen gelingen, bleibt der Erfolg auf diese Aufführungen reduziert, anstatt das Ganze daran zu messen. Das ist schade.