Tanz: Keine Antwort auf die Frage der Zukunft
„Ultima Vez“ gastiert auf Zollverein.
Essen. Der belgische Starchoreograf Wim Vandekeybus treibt die Akteure seiner Compagnie "Ultima Vez" immer wieder an die Grenzen ihrer Kraft. In seinem neuen Werk "Menske" aber kommt das Stück als Stück an seine Grenzen, ohne dass man großartig berührt würde. Im Essener Choreografischen Zentrum erntete Vandekeybus zwar viel Applaus, er hat gerade dort aber auch schon mehr Beifall erhalten.
"Menske" ist die flämische Verkleinerung von Mensch. Haben wir es also mit Menschlein zu tun? Ja, denn die Charaktere wirken recht mickrig. Doch haben vor allem die Tänzer eine Präsenz, die über dramaturgische Schwäche hinwegträgt. Fünf Damen, fünf Herren agieren, darunter auch Schauspieler. Tanz und Darstellung wechseln ab, alles fügt sich aber kaum zum Ganzen. Eine nacherzählbare Handlung entsteht nicht, nur Einzeleindrücke bleiben haften. Es gehe um Menschen in Zeiten des Wandels bisher gültiger Werte, liest man im Programm. Wie gehen sie mit dieser Krise um, sind sie anpassungsfähig? Das Ensemble gibt darauf keine gemeinsame Antwort, Einzelkämpfer überwiegen.
Da ist der Mann, der einer Beziehung nachtrauert, ohne vorwärts zu blicken. Da ist die Frau, die enthemmten Sex propagiert, aber keine Partner findet. Ein Telefonmast, der ein irres Kabelwirrwarr trägt, ragt weit in den Bühnenhimmel. Er mag symbolisieren, dass die Welt von Kommunikationsnetzen umspannt ist, in seinem Schatten aber erschöpfen sich alle im Nahkampf. So schwingen sich einige Akteure an horizontal gespannten Stahlseilen über die Bühne. Das zwingt andere, tanzend darüber hinweg zu springen und darunter hinwegzutauchen.
Ein groteskes Bild des Krieges aller gegen alle gelingt, wenn einige Akteure andere wie Waffen benutzen: Ein Mann trägt eine Frau auf dem Rücken, und diese streckt ihr Bein vor, das wiederum ihr Träger wie ein Gewehr gegen andere richtet.
Einmal werden pralle Müllbeutel gen Publikum geschmissen. Diese rauschen an Seilen über die Köpfe der Zuschauer hinweg, retour zur Bühne. Eine solche Provokation ist keine, und sie mag fürs Ganze stehen. Wenn einen diese "Menschlein" mit etwas treffen wollten, dann prallte es höchstens auf sie selbst zurück.