Ein kleiner Faust und sein böser Schatten
Igor Strawinskys Kammeroper „Die Karriere des Wüstlings“ im Krefelder TaZ.
Krefeld. Ein Faulpelz räkelt sich da auf der Bühne, vertut den Tag mit Büchern, träumt von Geld, Freiheit und Macht, wo er doch die Firma seines künftigen Schwiegervaters leiten soll.
Igor Strawinskys Kammeroper "Die Karriere des Wüstlings", 1951 in der La Fenice in Venedig uraufgeführt, schöpft aus vielen Quellen, aus Hogarths bösen Blättern speziell.
Gegenwärtig ist immer auch der "Faust" - in Kleinformat. Wolfgang Lachnitt hat das Werk auf der Bühne (Harald Stieger) im Theater auf Zeit Krefeld, einer großen Werkshalle, inszeniert.
In diesem langen, schmalen Raum drückt der Klang des 34-köpfigen Orchesters nur wenige Male, vor allem bei den Quartetten und Tutti, von den Seiten her auf die Ohren.
Erstaunlich bleibt, wie die Regie mit diesem Provisorium - das Stadttheater wird derzeit renoviert - fertig wird. Allerdings: Die einst aktuelle Tonsprache, ihre Gestik, die sich mancher fast operettenhafter Klischees bedient, hat über die 50 Jahre hin an Effekt verloren.
Wenn da der Kuckuck ruft, sei dies allerdings auch der kindlichen Freude des alten Meisters am Banalen geschuldet.
Die Geschichte: Tom Rakewell (Hans-Jürgen Schöpflin) hat faustische Träume von Geld, Freiheit, Macht. (Warum nicht von Liebe?) Nick Shadow (Michael Kupfer) verspricht ihm dies im fernen London.
Die Verlobte Anne (Isabelle Razawi) bleibt zurück. In der großen Stadt verfällt Tom dem süßen Leben im Bordell mit Alkohol- und Heroin-Räuschen, ehelicht die Türkenbab (Kerstin Brix), lässt sich von seinem bösen Schatten Nick Allmacht vorgaukeln. Dessen Lohn: Toms Seele.
Am Ende lässt sich der über Nacht gealterte Tom im Irrenhaus von Anne ein letztes Schlaflied singen. Im Nachspann treten die Protagonisten - Brecht winkt von fern - vor das Publikum und ziehen Bilanz.
Graham Jackson am Pult der Niederrheinischen Sinfoniker fordert die treibende Rhythmik und die musikalischen Affekte, da hört man Zitate von Passionsmusiken, wenn die Figuren leiden.
Der selten opulent badende Klang ist unmittelbar auf das Geschehen ausgerichtet. Die Sänger sind immer auf der Höhe des Geschehens. Das gilt besonders für das Paar Schöpflin und Razawi.
Aber auch für Christoph Erpenbeck als Trulove, Uta Christina Georg als Mutter Goose und Walter Planté, der als Auktionator eine kleine Glanzrolle hinlegt. Der Chor gerät zum expressiven Bühnenmoment, was den dramatischen Szenen Glanz verleiht.
Großer Beifall. Mancher war aber schon in der Pause gegangen. Opulente Oper: Fehlanzeige.