Interview/Peter Pabst: „Ich liebe und bewundere sie“
Peter Pabst entwirft seit 28 Jahren die Bühnenbilder für Pina Bauschs Wuppertaler Tanztheater. Sonntag endet ihr Festival.
Düsseldorf. WZ: Herr Pabst, Sie mussten beim Tanzfestival acht Stücke von Pina Bausch einrichten. Welches ist eigentlich das komplizierteste?
Pabst: Das Stück, was am meisten Aufmerksamkeit benötigt und am meisten aus dem Rahmen fällt, ist "Palermo Palermo", weil es mit größter Genauigkeit eingerichtet werden muss und keine Fehler verzeiht. Wenn "Palermo Palermo anfängt, habe ich immer noch Herzklopfen.
WZ: Sie stellen die Bühnentechniker ja oft vor große Herausforderungen.
Pabst: Beim Tanztheater ist es anders als sonst beim Theater: Die Vorstellungen leben sehr lange. Aber die Stücke können nur so lange existieren, weil viele Augen sie kontrollieren. Pina Bausch kümmert sich um jede Aufführung. Nach jeder Vorstellung, auch nach zehn bis 15 Jahren gibt es noch Kritik. Diese Genauigkeit und dieser Aufwand an Arbeit ist schon das Geheimnis des Erfolgs.
WZ: Früher haben die Bühnentechniker oft über Ihren Einsatz von Wasser im Wuppertaler Schauspielhaus geflucht...
Pabst: (schmunzelt) Naja, die fluchen schon oft. Erstmal kommen allerdings die Werkstätten. Ich bin zwar kein Quäler, aber die Arbeitsweise kommt von der Eigenart der Produktion des Tanztheaters. Wenn Pina Bausch anfängt zu proben, gibt es noch nichts: weder ein Thema noch einen Text, noch eine Musik, noch einen Titel, und das heißt, dass es für einen Designer erstmal nichts zu entwerfen gibt.
WZ: An welchem Punkt werden Sie dann tätig?
Pabst: Das schleicht sich so an. Wir versuchen, den Entscheidungsprozess, was für ein Bühnenbild es diesmal sein soll, bis zum letztmöglichen Moment hinauszuzögern. Deswegen meinen viele, ich würde die Werkstätten quälen, weil ich mit Forderungen komme, die kompliziert sind und viel Arbeit in sehr kurzer Zeit bedeuten. Dass sie es immer noch hinbekommen, ist eine Frage ihrer Motivation und ihres Engagements. Wenn Anstrengung von Erfolg gekrönt ist, dann finden sie das auch toll.
WZ: Wie entwickeln Sie denn generell Ihre Ideen, auch wenn Sie für andere Theater arbeiten?
Pabst: Das ist schwierig zu sagen. Es gibt kein generelles Rezept. Beim Tanztheater gucke ich mir Proben an, und dann entwerfe ich oft schon etwas mit einer gewissen Unabhängigkeit. Auch weil der leere, schwarze Modellkasten mich angähnt und etwas wissen will, was ich noch nicht weiß. Und wenn ich den Eindruck habe, es lohnt sich schon, zeige ich es der Pina. Manchmal sind das vier, fünf, sechs Entwürfe. Und dann fangen wir an, zu diskutieren und uns zu fragen: Was würde es bedeuten, wenn diese Szene in dieser Welt stattfinden würde?
WZ: Sie benutzen häufig Materialien aus der freien Natur, wie zum Beispiel Bäume, Torf, Gras. Gehen Sie selbst gern raus und lassen sich inspirieren? Oder sehen Sie sie eher im Kontrast zur Kunst?
Pabst: Ich glaube, das hat eher mit Letzterem zu tun. Natur hat in meiner Arbeit immer eine Rolle gespielt, so wie bei Pina Bausch auch. Aber vor kurzem ist mir klar geworden: Die Natur hat in meinem Leben gar nicht stattgefunden. Ich bin eine Großstadtpflanze, in Berlin aufgewachsen und habe immer in großen Städten gewohnt. Das ist eine Art Altersfrage, dass ich nun merke, dass Natur immer wichtiger wird.
WZ: Vielleicht eine Art Sehnsucht danach?
Pabst: Ja, eine Sehnsucht, die wächst. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass man ein größeres Verstehen entwickelt für Natur, wenn man älter wird. Man wird nicht klüger, aber man sammelt Erfahrung. Ich muss bei meinen Bühnenbildern eine eigene künstlerische Form finden. Da bieten sich Naturmateralien an, weil sie wunderbare Formen im Sinne der Biologie haben. Und sie sind widerspenstig, weil sie ja erstmal nicht ins Theater gehören, in so einen Kunstraum. Wasser gehört auch nicht ins Theater (lacht) und macht große Schwierigkeiten. Naturmaterialien passen gut zum Tanztheater, weil sie warm sind, sinnlich. Und Tanztheater ist eine hochsinnliche Veranstaltung, das macht mir immer noch große Freude.
WZ: Seit 1980 arbeiten Sie für das Tanztheater. Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Pina Bausch beschreiben?
Pabst: Verhältnisse zu beschreiben ist immer sehr schwierig. Ich liebe Pina und ich bewundere sie. Und wie Pina das sieht, das müsste sie schon selbst sagen.