Befreiung aus dem Schachtelgefängnis

Düsseldorfs Schauspielchefin Amélie Niermeyer inszeniert Beethovens „Fidelio“ an der Deutschen Oper am Rhein.

Duisburg. Ludwig van Beethovens "Fidelio" ist die vielleicht berühmteste Befreiungsoper in der Geschichte des Musiktheaters. Sie entstand unter dem starken Eindruck von Französischer Revolution und Wiener Restauration und bebt vor Leidenschaft und Utopieglauben.

Das Opus zieht seine Kraft vor allem aus dem Gegensatz zwischen düsterer Ohnmacht und strahlendem Sieg über die Unterdrückung. Die neue Rheinopern-Produktion, bei der die Generalintendantin des Düsseldorfer Schauspielhauses, Amélie Niermeyer, Regie führt, überzeugt zwar insgesamt durch ein stimmiges Konzept, lässt aber so viel Dämonie und Abgründigkeit vermissen, dass gerade der Triumph über das Böse kaum die Wirkung eines echten Befreiungsschlags entfaltet.

Der Abend beginnt etwas ermüdend mit der recht langen 1.Leonoren-Ouvertüre anstelle der kurzen und knackigen Fidelio-Ouvertüre. Zur Musik läuft ein tonloser Film, der die Damen Leonore und Marzelline zeigt, wie sie in den Fluren eines Gefängnisses umherirren.

Ein reizvoller Effekt ist aber die sich plötzlich als transparent erweisende Filmprojektionsfläche, hinter der die Figuren nun in natura auftauchen. Im Hintergrund wird ein vierstöckiges, schachtelartiges Gebilde sichtbar, in dem die Gefangenen in Parzellen stehen wie Ausstellungsstücke.

Es besitzt leider komische Wirkung, wenn die Häftlinge an der Stelle "O welche Lust, in freier Luft" lediglich eine Dosis Kunstlicht erhalten und die Beleuchtung mit einigem Klimpern anspringt wie in einer illuminierbaren Vitrine.

Stärke der Inszenierung ist die flotte Modernisierung der gesprochenen Dialoge, die sich früher als Schwachstellen des Werkes erwiesen haben. Auch bringt Niermeyer zeitweise Ironie ins Geschehen, vor allem am Schluss. Der Minister Don Fernando erscheint als pflaumenweicher Diplomat, der vor allem eine gute Presse haben will.

Als Leonore im Schlussbild die geöffneten Handschellen ihres befreiten Florestan in der Hand hält, beeilt sich der Medien-erfahrene Politiker, ihr den Arm öffentlichwirksam anzuheben. Und die in Sachen Liebe enttäuschten Marzelline muss nicht im allgemeinen Jubel ganz untergehen, sondern darf ihr Unglück gestenreich zum Ausdruck bringen.

Zur großen szenischen Schwachstelle wird die Kerker lpszene des Florestan. Steven Harrison bewältigt den sehr schwierigen Monolog "Gott, welch Dunkel hier" zwar stimmlich respektabel, doch vermag er die Rolle des geschwächten und halbverhungerten Helden nicht glaubwürdig auszufüllen. Harrison wankt nicht wie ermattet, sondern hinkt mehr, als hätte er nur eine Fußverletzung.

Auch aus dem Orchestergraben der von Andreas Stoehr geleiteten Duisburger Philharmoniker dringt wenig Ausdrucksvolles. Stoehr versteht sich auf die heiteren Stellen der Partitur. Bei Beethovens düsterem Espressivo fehlt es aber an Suggestivkraft.

Umso eloquenter gestaltet Annette Seiltgen die Leonoren-Partie und beherrscht die vielen heiklen Stellen gesangstechnisch souverän. Netta Or gibt eine sehr selbstbewusste Marzelline ab, die sich gegen ihre beengte Lebenssituation auflehnt.

Hohe Töne geraten ihr indes etwas starr und farblos. Einen sehr unscheinbaren Bösewicht gibt Heikki Kilpeläinen als Don Pizarro ab. Keinen Wunsch offen lassen Tenor Mirko Roschkowski als Jaquino und Bassist Sami Luttinen als mutloser Kerkermeister Rocco.