Zirzensisches Kammerspiel des Scheiterns

An den beiden Artisten des „Petit Travers“ haben Kinder ihre helle Freude.

Düsseldorf. Es sind die kleinen Wunder, die Pina Bauschs Tanzfest einzigartig machen. Wer ihr "Sacre du Printemps" noch einmal sah mit seiner archaischen Kraft oder die alternde Künstlerin selbst in ihrem entrückten "Café Müller", der weiß, mit welcher Sensibilität sie durch die Welt geht. Auf ihren Tourneen hat Pina Bausch, gewissermaßen am Wegesrand, manche Kostbarkeit entdeckt.

Eine solche Entdeckung, möglicherweise bei einem Straßenfestival in Frankreich, machte sie mit dem Zirkus "Le Petit Travers" aus Toulouse. Nicolas Mathis’ und Denis Fargetons Arena ist ein schmutziger - und später ziemlich feuchter - Keller. Offenbar schätzt Denis das Cellospiel Nicolas’ wenig, denn der Ärmste hockt mit seinem Instrument in einem verrosteten Spind.

Hier musiziert er unverdrossen weiter, obwohl der andere ihm nach und nach Utensilien wie Noten und Bogen wegnimmt, um sich in Ruhe dem Akkordeon zu widmen. Am Ende nimmt Denis ihm sogar das Cello - und noch immer musiziert es aus dem Schrank - da hat Nicolas den Rekorder eingeschaltet.

Im Tanzhaus NRW entwickeln die beiden Männer mit den tumb-traurigen Gesichtern aus ihren Kabbeleien ein zirzensisches Kammerspiel des Scheiterns. Kleine weiße Bälle schießen und jonglieren sie in verblüffender Perfektion durch den Raum, voller Raffinesse stibitzen sie sie sich gegenseitig, lassen sie aus der hohlen Hand wachsen, pusten sie in den einen Ärmel, um sie aus dem anderen wieder herausfallen zu lassen.

Ein intelligentes, ein witziges Spiel zwischen Artistik und Choreografie, Zauberei und Clownerie, bei dem am Ende stets einer das Nachsehen hat. Die beiden Neurotiker in abgerissener Alltagskleidung lassen ihrem infantilen Spieltrieb freien Lauf. Mit zwei Bögen bespielen sie ein Cello, lassen das Jackett vibrieren, futtern die Notenblätter auf und - entzünden einen Ball. Der zischt wie ein Feuerwerk Richtung Bühnenhimmel und löst einen endlosen Wasserstrahl aus.

Mehr Clowns als Artisten, versuchen die beiden der Flut Herr zu werden, türmen sich einen Weg nach oben, hängen einen Eimer unter den mutmaßlichen Rohrschaden. Der Eimer läuft natürlich über und flutet die Bühne. Aus der Not wird Lust: Kunstvoll lässt es sich durchs Wasser schlittern.

Schließlich stapeln Nicolas und Denis ihre Habseligkeiten zu einer Möbelinsel - ein Bild, das an Janoschs Tiger-und-Bär-Szenerien erinnert. Hier musizieren sie gemeinsam, während die kleinen Bälle wie durch Magie durchs Wasser rollen. Über einen Kurzschluss, der die Bühne ins Dunkel taucht, verschaffen Nicolas und Denis sich den nur konsequenten Abgang. Und der Zuschauer macht sich beglückt auf den Heimweg. 55 Minuten, ohne Pause, 21. 11., Haus der Jugend Wuppertal, 23.11., Grillo-Theater Essen