Paarskulpturen im Dialog
Die Gala des Internationalen Tanzfestivals versammelte die Besten des zeitgenössischen Tanzes.
Düsseldorf. Eine Gala begnügt sich häufig mit einer bunten Ansammlung publicityträchtiger Stücke, die einem kunstfernen Zweck dienen sollen. Davon konnte bei der Veranstaltung im Düsseldorfer Schauspielhaus keine Rede sein. Was da im Rahmen des Internationalen Tanzfestivals NRW über die Bühne ging, war von so mitreißender Qualität und offerierte eine tänzerische Vielfalt, wie man sie selten erlebt.
Wie vielseitig zeitgenössische Tänzer heute sind, ja sein müssen, ließ sich beispielhaft an der russischen Primaballerina Diana Vishneva beobachten. Zunächst tanzte sie ein Solo aus Pina Bauschs Choreographie "Ten Chi", das sie mit faszinierender Verve und einer begeisterten Neugier sich eroberte.
Danach fügte sie mit Partner Igor Zelensky ein Duett aus Kenneth MacMillans "Manon"-Choreographie als Beispiel des klassischen Balletts an. Nur um sich dann mit Yuri Smekalov in eine vom Modern Dance inspirierte Version des Chansonklassikers "Ne me quitte pas" zu versenken: ein Bravourstück getanzter Trennungsphasen.
Naturgemäß dominierten an diesem Abend Soli und Duette, und so ergab sich fast zwangläufig ein vergleichender Blick auf Paarkonzeptionen. Sasha Waltz & Guests zeigten mit einem Ausschnitt aus "Impromptu" eine eher elegische Etüde der Sehnsucht zu Klavierstücken von Schubert. Ganz anders dagegen der brasilianische Choreograph Henrique Rodovalho.
Er hat sich intensiv mit Kampfsportarten auseinandergesetzt, und das Duo aus "It could only be you" ließ an Intensität nichts zu wünschen übrig. Zu Bossa Nova-Musik winden sich die Körper von Camilo Chapela und Luciane Fontanella umeinander, lösen sich, verschlingen sich neu zu einer hoch verdichteten Paarskulptur im Spotlight, die ohne Bezug zum Umraum auskommt.
Eine solche Aneinanderreihung von Hochkarätern reizt nicht nur zum Vergleichen, sondern ruft auch Erinnerungen wach. Wer beispielsweise noch Pina Bauschs "Frühlingsopfers" im Kopf hatte, sah bei der Interpretation der israelischen Compagnie Emanuel Gat Dance Kontrast und Fortschreibung in einem: Zwei Männer und drei Frauen in einem riesigen Strom von Haltungen und Posen des Gesellschaftstanzes. Strawinskys artifizielle Archaik ist auf Null gefahren; was bleibt, ist Bewegung in ihrer ritualisierten Form.
Rituale spielen auch in "Cursive II" des Cloud Gate Dance Theatre of Taiwan eine Rolle. Zu den zarten Klängen von John Cage hat Lin Hwai-min eine Gruppenchoreophie auf die Bühne gezaubert, in dem Kampfsport und Moderner Tanz zu einer atemberaubenden Meditation über Spannung und Lösung, Versenkung und räumliche Ausdehnung verschmelzen.
Die ungekrönte Königin des Abends, abgesehen von Pina Bausch natürlich, war schließlich die französische Ballerina Sylvie Guillem. Sie tanzte gemeinsam mit Russell Maliphant dessen Duo "Push". Ein Pas de deux frei von Pathos, von jeder sichtbaren Kunstanstrengung, von Verklärung.
Wie hier im tiefen Plié Balancen ausgelotet werden, wie die beiden sich über den Rücken des Partners abrollen, wie sie Kraftströme im Fluss der Bewegung immer neu austarieren, das hat das Zeug zum idealischen Paardialog. Schöner und klarer kann man kaum tanzen.