Ruhrfestspiele: Hollywood in Recklinghausen
Schauspielerin Cate Blanchett gastiert bei den Ruhrfestspielen.
Recklinghausen. Mit dem Dienstantritt von Frank M. Hoffmann als Leiter der Ruhrfestspiele kamen die Stars. Jeff Goldblum, John Malkovich oder Ethan Hawke waren schon in Recklinghausen zu Gast — nicht jeder konnte schauspielerisch so überzeugen, wie es vor Jahren Kevin Spacey oder jetzt Cate Blanchett taten. Die Hollywoodactrice, die man aus Filmen wie „Der Herr der Ringe“ kennt, spielt die Rolle der Lotte in Botho Strauß’ Drama „Groß und Klein“.
Stückwahl und Besetzung erscheinen so ungewöhnlich wie das Ergebnis. Strauß’ Szenenfolge gilt als seismographische Bestandsaufnahme der späten Bundesrepublik. Die Hauptfigur Lotte streift durch ein Land und entdeckt zwischen Männern und Frauen, in der Familie und bei der Arbeit nur Leere und Kommunikationslosigkeit. Lotte ist eine Wünschelrutengängerin auf der Suche nach dem pulsierenden sozialen Fleisch.
In der Bearbeitung von Martin Crimp und der Regie von Benedict Andrews macht die Sydney Theatre Company daraus ein verblüffend komisch-absurdes Gesellschaftsbild, das für heute auch noch Gültigkeit beanspruchen kann. Lottes Besuch bei der Gartenparty ihres Bruders Bernd samt Familie gerät zum Slapstick. Die Szene mit Lottes Interimslover im Büro wird zu einer Choreographie des Absurden, in der man aufeinander zu tänzelt, Briefe als Papierflieger expediert und Bewegungen in den Replaymodus schaltet.
Die Verzweiflung ist durchaus erkennbar: Wenn Lotte im Tanzdress mutterseelenallein im schwarzen Bühnenkasten mit weißem Mäuerchen (Bühne: Johannes Schütz) steht, erinnert sie an Shakespeares König Lear auf der Heide. Die große Geste hat allerdings eine kleinbürgerliche Grundierung: Die Lippen zu rot, die Achseln werden beschnuppert, Ganzkörperdeostöße sollen helfen und die Stimme orgelt immer etwas zu laut.
Blanchett verweigert der Figur jede Innerlichkeit oder Psychologie. Hier ist alles Veräußerlichung. Lotte erscheint als Figur, die den Wohlstandspanzer dicht zu halten versucht. Das Posenhafte offenbart allerdings, dass gesellschaftliches und individuelles Sein längst weit auseinanderklaffen. Am Ende sitzt Lotte ohne Termin im Wartezimmer eines Arztes und der letzte Satz „Nothing’s wrong with me“ ist zugleich der erste, der völlig ins Private zurückgenommen wird.
„Groß und Klein“, 2 ¾ Stunden, eine Pause, Ruhrfestspiele Recklinghausen, 29.5. bis 1.6., 20 Uhr, 2.6., 13 und 18.30 Uhr, Karten: 10,50 bis 41 Euro, Tel.: 02361/92 18-0