Shermin Langhoff übernimmt Berlins Gorki-Theater

Berlin (dpa) - Eine türkischstämmige Frau als Chefin eines deutschen Staatstheaters - das hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben. Shermin Langhoff wird als Intendantin des Maxim Gorki Theaters in Berlin 2013 die erste sein.

Nach ihren Erfolgen mit dem Off-Theater Ballhaus Naunynstraße könnte die 42-Jährige die sonst stark von alten Herren dominierte Theaterszene der Bundeshauptstadt kräftig aufmischen. Dramaturg Jens Hillje soll ihr als Co-Intendant künstlerisch zur Seite stehen.

Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD) konnte bei der offiziellen Vorstellung seines Überraschungscoups am Dienstag die Freude kaum verhehlen. „Ich bin froh, dass es mir gelungen ist, die beiden kurz vor den Toren von Wien wieder zurückzuholen“, sagte er in Anspielung auf den eigentlich geplanten Wechsel des Duos zu den deutlich glamouröseren Wiener Festwochen. Nach über 50 Jahren Einwanderungsgeschichte sei es mehr als überfällig, dass Künstler der „post-migrantischen Generation“ die Leitung eines Staatstheaters übernehmen: „Damit setzt Berlin kulturpolitisch ein deutliches Signal.“

Langhoff kündigte an, das „Gorki“ als Ensemble- und Gegenwartstheater zu erhalten und weiter für die freie Szene zu öffnen. Dabei will sie auf ihre Erfahrungen mit Multi-Kulti-Themen aufbauen, aber auch all die anderen Unterschiede der Großstadt Berlin in den Blick nehmen: arm und reich, jung und alt, abgesichert oder arbeitslos. „Diesem Theater ist es gelungen, Ost und West zusammenzudenken - und vielleicht kriegen wir die anderen auch noch dazu“, sagte sie.

Für die 42-Jährige ist der Wechsel ein großer Sprung. Zwar hat sie mit dem Ballhaus Naunynstraße Erfolgsgeschichte geschrieben. Aber nach den zuletzt 15 Mitarbeitern dort wird sie künftig für mehr als 150 Menschen und einen Etat von fast zehn Millionen Euro verantwortlich sein.

Zudem steht das 400-Plätze-Haus zusammen mit der von Thomas Ostermeier (43) geführten Schaubühne im Windschatten der drei Platzhirsche: Das Deutsche Theater wird von Ulrich Khuon (61) geführt, am Berliner Ensemble herrscht Claus Peymann (74) und an der Volksbühne hat Frank Castorf (60) kürzlich seinen Vertrag nach 20 Jahren bis zum Ruhestand verlängert bekommen.

Der bisherige Gorki-Intendant Armin Petras hatte für seinen Wechsel an das Württembergische Staatstheater Stuttgart vor allem die chronische Geldnot des Hauses verantwortlich gemacht. Auch Langhoff kann nicht mit zusätzlichem Segen aus der Staatskasse rechnen, will aber neue Einnahmequellen auftun. „Der Etat ist so, wie er ist“, sagte Schmitz knapp.

Wie es zu dem überraschenden Personalcoup kam, lässt sich nur hinter vorgehaltener Hand erfahren. In den vergangenen Monaten waren mehrere Kandidaten gehandelt worden. Die Gespräche mit dem gerade beim Theaterfestival preisgekrönten Regisseur Nicolas Stemann etwa sollen an der Geldfrage für das Theater gescheitert sein. Und Langhoff galt lange als an Wien vergeben, bis sich herausstellte, dass ihr Vertrag noch nicht endgültig unterschrieben war.

„Ich habe das Angebot aus Wien gern angenommen und sehr, sehr ungern abgesagt“, versicherte die Vielbegehrte. Sie habe jedoch „aus familiären und persönlichen Gründen“ in Berlin bleiben müssen, diese Gründe hätten sich erst in den vergangenen Monaten ergeben. Mehr verriet sie nicht. Ihr Mann (Regisseur Lukas Langhoff) und ihr Kind wollten nicht, dass sie über sie spreche. Schmitz ist jedenfalls schon mal auf Nummer sicher gegangen: Langhoff habe schon ihr Namenskürzel unter den Vertrag gesetzt, verriet er.