Ruhrtriennale startet auf Industriebrache

Bochum (dpa) - Zum Start seiner Intendanz dringt der neue Ruhrtriennale-Chef Johan Simons tief in die verlassenen Industriebrachen des Ruhrgebiets vor. Der niederländische Regisseur eröffnet seine erste Spielzeit am nächsten Freitag (14.8.) in der halb offenen einstigen Kohlemischhalle der Zeche Lohberg in Dinslaken mit der Uraufführung des Musiktheaters „Accattone“, einer Adaption des filmischen Sozialdramas von Pier Paolo Pasolini.

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Er wolle jedes Jahr neue Spielorte suchen, sagte Simons am Freitag in Bochum. „Sonst wäre es zu komfortabel, und das passt nicht zum Ruhrgebiet.“ In Simons' erster Ruhrtriennale-Spielzeit vom 14. August bis 26. September sind rund 40 Produktionen, darunter zahlreiche Uraufführungen, aus den Bereichen Musik, Theater, Tanz und Kunst in den früheren Zechen und Industriehallen des Ruhrgebiets zu sehen.

Eine Herausforderung ist Simons' Auftaktpremiere in der 200 Meter langen Mischhalle in Lohberg auch für die an geschlossene Bühnen gewöhnten Schauspieler.„Mit Gummistiefeln kommt man dort von A nach B“, sagte die mehrfach ausgezeichnete Schauspielerin Sandra Hüller, die die Rolle der Maddalena übernimmt. „Ich hoffe, dass die Musiker auch mit dem ganzen Staub zurechtkommen.“ Die Halle sei „eine Wüste mit Dach“, nach hinten könne man in den Wald blicken.

Simons sagte, er wolle Theater für Menschen machen, die sonst nicht ins Theater kämen, auch wenn es nur „ein Tropfen auf dem heißen Stein“ sei. So werde die Ruhrtriennale ein Straßenfest in dem sozial benachteiligten Stadtteil Lohberg organisieren und die Kinder zu dem Ruhrtriennale-Familienstück „Sturzflug“ bringen.

Simons will in einer weiteren Inszenierung das „revolutionäre Potenzial“ von Richard Wagners „Rheingold“ ausloten. Eigentlich verbinde ihn mit Wagner eine „Hassliebe“, sagte er. Wagner pur wird man bei Simons nicht erleben. Er hat für die Produktion auch den finnischen Techno-Pionier Mika Vainio eingeladen.

Zu sehen sind während der sechswöchigen Ruhrtriennale auch die Tanzproduktion „Model“ des US-Choreographen Richard Siegal, eine „Orfeo“-Maschine nach Monteverdi, bei der Zuschauer in der Zeche Zollverein in Essen in kleinen Gruppen in Orpheus' Unterwelt geleitet werden, sowie eine fünfstündige polnische Bearbeitung von Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Die begehbare Wasserinstallation „Nomanslanding“, die zuvor in Sydney gezeigt wurde, wird im alten Eisenbahnhafen von Duisburg-Ruhrort aufgebaut.

Für die Ruhrtriennale seien dieses Jahr 48 500 Tickets erhältlich, sagte der Geschäftsführer der Kultur Ruhr GmbH, Lukas Crepaz. Zu drei Vierteln seien die Vorstellungen bereits ausgelastet, es gebe aber noch Karten. Wegen der großen Nachfrage seien zu den bisher geplanten 400 Parcours-Durchläufen von „Orfeo“ zusätzliche geplant. Mit einem Popmusikprogramm will die Ruhrtriennale auch ein jüngeres Publikum ansprechen. An der Jahrhunderthalle in Bochum baut das Atelier Van Lieshout ein Kunstdorf auf, wo weitere Aktionen geplant sind.