„Satanische Verse“ begeistern auf der Theaterbühne
Wiesbaden (dpa) - „Alles stinkt hier nach Schweiß und Angst.“ - Was eine Zustandsbeschreibung der Premiere der „Satanischen Verse“ in der Inszenierung des irakisch-deutschen Regisseurs Ihsan Othmann am Wiesbadener Staatstheater hätte werden können, war lediglich eine Textzeile im Stück selbst.
Im Premierenpublikum hingegen war wohl am Donnerstagabend keinem wirklich mulmig zumute, obwohl es im Vorfeld der Aufführung nur ein Thema gab: die Sicherheit.
Weil der britisch-indische Bestsellerautor Salman Rushdie seit der Veröffentlichung seines Romans nach einer „Fatwa“ mit einem im Jahr 1989 von dem damaligen iranischen Oberhaupt Ajatollah Khomeini verhängten Todesurteil leben muss, löste auch die Aufführung des Stoffs in Wiesbaden einen Ausnahmezustand aus. „Wir haben frühzeitig Kontakt zur Polizei gesucht. Diese hat Einschätzungen vorgenommen, denen wir nun zu folgen haben“, begründete Intendant Uwe Eric Laufenberg die Maßnahmen, auf die er selbst gern verzichtet hätte.
Wer Eintrittsarten kaufte, musste sich zuvor mit der Angabe persönlicher Daten registrieren lassen. Am Eingang der Staatstheater-Außenspielstätte Wartburg folgte dann eine Ausweiskontrolle. Lautes Piepen erfüllte das Treppenhaus, in dem die Besucher noch Schlange standen, als die Aufführung schon hätte beginnen sollen. Mit Handsonden wurden die Theatergänger gescannt, Taschen inspiziert.
Auf den Weg zum Theaterraum und in den Zuschauerreihen selbst standen ein Dutzend Sicherheitskräfte mit einem Knopf im Ohr. „Alles ist weniger spektakulär, als es klingt. Und es gab auch keine konkreten Drohungen“, versicherte eine Sprecherin des Staatstheaters. Die Besucher reagierten gelassen auf die Maßnahmen.
Das gut dreistündige Stück selbst geriet für das Publikum zu einer kurzweiligen und ereignisreichen Reise in die Welt der Religion, vor allem aber in eine Welt elementarer Fragen des Lebens, der Philosophie und der Poesie. Der Regisseur und sein achtköpfiges starkes Schauspielensemble hatte auf Basis des 700-Seiten-Romans einen Abend voller Wucht geschaffen: Götter, „der eine“ Gott, Engel, Teufel und immer auch wieder einfach nur allzu menschliche Menschen kommen vor. Große Fragen des Daseins werden abgehandelt, dazu werden mal zart und zärtlich, mal derb und laut auch persönliche Dramen und Leidenschaften, Zweifel und Schwächen, gezeigt.
Auf einer offenen, breiten Treppenbühne, die fast genauso viel Platz einnimmt wie der Zuschauerraum, schafft Ausstatter Barholomäus Martin Kleppek starke, poetische und oft überraschende Bilder. Tobias Rott und Stefan Graf brillieren als Teufel-Engel-Gegenspieler in den kräftezehrenden Hauptrollen, Uwe Kraus fesselt als Erzähler mit einer zerfledderten Romanausgabe in der Hand. Die weiteren Darsteller schlüpfen souverän in unterschiedlichste Rollen, die in der tempo- und ideenreichen Aufführung in einem Wechselbad zwischen leisen Tönen und lautem Getöse ohne Scheu vor Klamauk ein buntes Kaleidoskop an Gesichtern, inklusive Tiermasken und Gedanken erschaffen.
„Die satanischen Verse“ in Wiesbaden fordern das Publikum heraus, unterhalten es aber auch bestens. Vor allem, in dem sie das pralle Leben feiert, vermittelt die Aufführung subtile Kritik an den Kräften des Islam, die genau dieses verbieten wollen. Intendant Laufenberg verkündete nach dem kräftigen und anhaltenden Applaus der Zuschauer: „Ich werde alles dafür tun, damit diese Aufführung lange lebt.“ Über einen Umzug der Inszenierung in eine größere Spielstätte denke er bereits nach.