Schelmisch und tobend: Hallervorden bei Premiere gefeiert

Berlin (dpa) - Wer mit 80 Jahren noch einmal die größte Herausforderung seines Bühnenlebens ankündigt, riskiert etwas. „Es ist eine wirklich breite Facette an Gefühlen, die zu spielen ist“, sagte Dieter Hallervorden vorab zu seiner neuen Rolle im Theaterstück „Vor Sonnuntergang“.

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Bei der Premiere im Berliner Schlosspark Theater zeigt der Komiker nun, dass er auf der Bühne süßlich verliebt und schelmisch, zornig und tobend zugleich sein kann.

Der Komiker spielt den wohlhabenden Verleger Matthias Clausen, der sich wegen seiner Liebe zu einer deutlich jüngeren Frau mit seinen Kindern anlegt. Das Urteil des intriganten Nachwuchses: Die Neue sei eine „blonde Bohnenstange“ und habe es „faustdick hinter den Ohren“. Die böse Brut fürchtet um ihr Erbe und will den Vater entmündigen lassen. Die Geschichte wird kein gutes Ende nehmen.

Was wie ein Sketch beginnt (mit viel „Paapaaas“ und Pointen), wandelt sich während der rund zwei Stunden zum tragischen Theater. „Mich dürstet nach Untergang“, sagt Clausen an einer Stelle. Das Sozialdrama von Gerhart Hauptmann, der unter anderem „Die Ratten“ schrieb, wurde einst 1932 in Berlin uraufgeführt. Es wirft viele Fragen auf: Was darf man im Alter? Wann endet die Fürsorgepflicht für die Kinder? Was macht Reichtum? Wie egoistisch ist der Mensch? Und welche Gräben ziehen sich durch die Gesellschaft?

Hallervorden versuchte sich zuletzt öfter als Charakterdarsteller. Für seine Rolle in „Honig im Kopf“ erhielt er 2015 zusammen mit Regisseur Til Schweiger einen Bambi. Hallervorden habe als Alzheimerpatient brilliert und den Zuschauer die Not und Herausforderungen der Krankheit auf „berührende Weise“ spüren lassen, hieß es in der Begründung. Als Marathonläufer in „Sein letztes Rennen“ wurde er 2014 mit einem Deutschen Filmpreis geehrt.

Im Schlosspark Theater entscheidet Hallervorden als Intendant, welche Stücke er spielt. Er hatte das Schauspielhaus in Berlin-Steglitz 2008 nach langer Schließung übernommen und renoviert. Er will das Theater nach eigenen Worten wieder zu den gloriosen Zeiten zu führen, die es unter seinem früheren Leiter Boleslaw Barlog (1906-1999) erlebt hatte, als Größen wie Hildegard Knef und Klaus Kinski dort spielten.

Dazu gehöre auch die Aufführung von Klassikern, sagte Hallervorden. Er bekommt bei der Premiere am Samstagabend den ersten Applaus allein dafür, dass er auf die Bühne kommt. Gegenstände, erzählt er als Witwer Clausen, bedeuteten ihm so viel „wie eine Rumpelkammer“. Ihm sei an Besitz nichts mehr gelegen. Und so nimmt er sein Geld, um mit der jungen Kindergärtnerin Inken Peters (Katharina Schlothauer) ein neues Leben anzufangen. Er sei entschlossen, „das Seil zu kappen“.

Deutlich wird das, wenn er seine fragwürdige Familie um einen Frühstückstisch versammelt und zusammenstaucht. So hat man Hallervorden selten wüten gesehen. Das Publikum ist es an manchen Stellen aber so gewohnt, bei Hallervorden zu schmunzeln, dass sich manches Gekicher verirrt. Etwa, wenn der 80-Jährige zum Messer greift. Das Messer ist lang und spitz und Clausen steht vor dem Abgrund. Da hört man noch ein kurzes Lachen, das bald verstummt.