Schlager: Udo Jürgens träumt von Indien

Interview: Udo Jürgens präsentiert seine neue CD "Einfach ich". Dabei plaudert er über Ehrungen, Sehnsüchte, Politik und Klima.

Herr Jürgens, Ihr neues Album heißt "Einfach ich". Gab es Situationen in Ihrer Karriere, in denen Sie das nicht von sich behaupten konnten?

Udo Jürgens: Das Titellied ist der Versuch, den Blick auf mich selbst zu richten, ganz ohne Eitelkeit. Dabei will ich auch meine Unzulänglichkeiten schildern. Mehr kann man als Musiker nicht machen, als seine Gefühle zu zeigen. Es wird viel von mir erwartet, wenn ich die Bühne betrete, und manchmal komme ich damit klar und dann nicht.

Sie haben 51 Alben veröffentlicht, für jedes waren Sie wochenlang unterwegs, um dafür zu werben. Was treibt Sie an?

Jürgens: Ich mache Musik aus innerer Begeisterung. Was die Arbeit für ein Album betrifft, bin ich Profi genug: Ich weiß, was von mir verlangt wird. Ich glaube an dieses Album und bin auch bereit, dafür etwas zu tun. Und das in einer Zeit, in der es meine Musik nicht leicht hat, eine Plattform zu finden. Sie passt nicht ins Konzept vieler Sender, weil sie weder die Pop- noch die Schlagerschiene bedient.

Ihr neues Album ist auf Platz neun der Charts gestiegen.

Jürgens. Das freut mich sehr. Aber ich mache Musik nicht wegen der Charts. Die Charts werden von acht bis 13-Jährigen bestimmt, da habe ich keine Chance. Für mich ist das Konzert der Orientierungspunkt. Dafür schreibe ich meine Lieder. Allerdings finde ich es toll, dass gerade junge Leute Stücke wie "Aber bitte mit Sahne" oder "Griechischer Wein" bei ihren Partys spielen.

Sie wurden 1993 das erste Mal für Ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Danach kamen noch viele Preise in dieser Kategorie, jetzt gibt es in Hamburg ein Musical mit ihren Liedern. Fühlt man sich geschmeichelt oder oft einfach nur alt?

Jürgens: Eigentlich wird man für das Lebenswerk ausgezeichnet, wenn die Leute erwarten, dass Du bald stirbst. Dann sagen sie, bevor der uns in die Grube fällt, holen wir Ihn noch mal schnell in die Sendung. Ich denke, das es bei mir verfrüht ist, von einer Legende zu sprechen. Aber ich bin halt auch nicht mehr jung und kann nachvollziehen, wenn solche Anfragen sich häufen. Mir ist aber auch bewusst, dass all diese Auszeichnungen nur denen ein Forum bieten, der sie vergibt.

Gibt es nach einen so erfüllten Leben noch Sehnsüchte, Träume?

Jürgens: Es ist nichts schwerer zu ertragen als ein Leben ohne Sehnsucht. Das ist Leere. Wir sagen so oft, ich bin leer, meinen aber, dass wir überarbeitet und müde sind. Leere ist, keine Sehnsucht mehr in sich zu spüren. Wer nichts mehr hat, worauf er sich in den kommenden Tagen freuen kann, ist leer. Das ist das Schlimmste, was einem Mensch passieren kann.

Gibt es für Sie konkrete Lebensträume, die Sie sich noch erfüllen wollen?

Jürgens: Einen Traum habe ich mir damit erfüllt, dass wir einige Lieder in dem berühmten Londoner Studio an der Abbey Road aufgenommen haben. Es ist ein besonderes Gefühl dort zu arbeiten, wo früher die Beatles ihre Alben eingespielt haben. Einen anderen Lebenstraum erfülle ich mir im Frühjahr. Da reise ich nach Indien, um dieses bunte und vielfältige Land jenseits der touristischen Sehenswürdigkeiten kennen zu lernen. Außerdem habe ich eine Einladung des Dalai Lama.

Sind sie denn ein religiöser Mensch?

Jürgens: Nein, ich bin ein überzeugter Atheist. Immer wieder haben religiöse Fanatiker blutige Kriege ausgelöst. Solchen Menschen darf man nicht trauen.

Sie prangern auf dem Album die Klimakatastrophe und die völlig vernetzte Welt an. Fühlen Sie sich als politischer Sänger?

Jürgens: Ich habe immer unbequeme Wahrheiten ausgesprochen, selbst die 68er Liedermacher sind nicht so weit gegangen wie ich. Durch meine ästhetische Verpackung wurden meine Texte nicht gleich wahrgenommen. Sie sind tief, aber ohne Presslufthammer.

Was fühlen Sie jetzt bei der Debatte um das Jugendstrafrecht?

Jürgens: Zuerst bin ich der Meinung, dass sich so ein Thema nicht für den Wahlkampf eignet. Da gibt es Wichtigeres wie etwa den Mindestlohn. Aber es muss gesagt werden dürfen, dass auswärtige Täter ihr Aufendhaltsrecht hier verwirkt haben, wenn sie alte Männer als Scheißdeutsche beschimpfen und schlagen.

Beim Thema Klimaschutz setzen Sie auf Satire und Ironie. Was kann Musik gegen die Katastrophe ausrichten?