Schnitzeljagd in Schloss Dyck
Im barocken Milieu feiert Reiner Speck den Besitzerwechsel seiner Sammlung wie eine Hochzeit. Den Käufer-Familien Viehof war die Mitgift 20Millionen Euro wert.
Jüchen. Jede Hochzeit ist zum Zeitpunkt der Eheschließung der schönste Augenblick im Leben zweier Menschen. Für den Kölner Urologen Reiner Speck muss es so gewesen sein, als der Verkauf großer Teile seiner kostbaren Sammlung an die Familien Viehof endlich besiegelt war.
"Vermählung auf Schloss Dyck" nennt er die erste von drei Ausstellungen, die in den barocken Sälen zu sehen sind. 230.000 Gäste werden erwartet, denn das Schloss, seine Parks und seine Kunst sind beliebt.
Die Geschichte vom Verkauf der Sammlung Speck ist lang. Sie begann Ende der 90er Jahre mit den Museumschefs aus Köln, Düsseldorf und Münster, die die Schätze auf ihre Häuser verteilen wollten, hätte die Landesregierung nur mitgespielt.
Im Gegensatz zum Land haben die Familien Viehof als einstige Besitzer der Allkauf-Kette beides, Geld und Kunst-Passion als Gesellschafter der Sammlung Rheingold. Reiner Speck: "In Zeiten, da selbst edle Metalle an Renommee und Wert einbüßen, glänzt das Rheingold mehr denn je."
Als Ästhet verschweigt er bei der "Vermählung" die finanzielle Seite der Liaison. Der Besitzerwechsel hat ihm eine zweistellige Millionen-Summe beschert, rund 20 bis 25 Millionen Euro. Er muss nun nicht mehr Depotverwalter in seiner Villa spielen und Museumswünsche erfüllen. Er kann sich seiner zweiten Leidenschaft widmen, dem Aufbau eines Literaturmuseums für Petrarca und Proust in Köln.
Die Schau in Schloss Dyck wird von Kay Heymer (Museum Kunst Palast) kuratiert. Heymer kennt die intellektuellen Freuden des Ex-Sammlers, Genießers und ironischen Denkers und passt die Werke nahtlos ins barocke Wasserschloss aus dem 17. und 18.Jahrhundert ein. Für den Besucher der Ausstellung beginnt eine Schnitzel-Jagd.
Sind die Arbeiten von Günther Förg eigenständig oder bloße Tapete? Die Bilder haben nämlich dieselbe Höhe wie die Raumausstattung. Wo steckt die Kunst des Carl Andre? Seine Stahlplatten auf dem Boden werden angesichts des zauberhaften Ambientes kaum wahrgenommen. Das Inventar ist oft das eigentlich Interessante.
Die Sammlung Speck war 2002 im K 21 als Ganzes zu sehen, damals wie jetzt fallen die Sonnenstrahlen durchs Fenster auf Georg Herolds "Kokainberg", einen in mystischem Gelb strahlenden Zuckerhut aus Latex, Backpulver und Gießharz. Ein Glossar auf süchtige Sammler wie Speck und die Viehofs. Ein kolossaler Kronleuchter erhellt zugleich eine kostbare Ledertapete.
Die Kunst hat es nicht immer leicht, sich gegen das Schloss zu behaupten. So hängen drei Besen der Rosemarie Trockel neben der alles überstrahlenden chinesischen Tapete des 18. Jahrhunderts und wirken - wie Besen eben. Ähnlich ergeht es Kippenbergers "Kulturbäuerin bei der Reparatur ihres Traktors", die neben sich das Gemälde des Schlossherrn zu Ross erdulden muss. Herolds "Kondom-Neger" wirken im erotischen Kabinett wie leichtgewichtige Zugaben.
Dagegen erhält Joseph Beuys einen blendenden Auftritt ausgerechnet mit den beschrifteten Hartfaserplatten "Dürer, ich führe persönlich Baader + Meinhof durch die Documenta V". Es schließt sich ein illustres Beuys-Kabinett an.
Natürlich gehören die Kostbarkeiten von Sigmar Polke ebenso zur Ausstellung wie die raumgreifende Installation von Mario Merz oder die frühlingshafte Tafel des Jannis Kounellis zur Pulcinella-Partitur von Strawinsky. Kounellis ist übrigens der Künstler, der nun bei den Specks im Eingang zur Villa hängt, nachdem die Polkes das Haus verlassen haben. Denn Speck sammelt weiter, wenn auch nur kleine Formate.