Shakespeare hinter Gittern

Häftlinge der Wuppertaler JVA bringen Macbeth auf die Bühne — es geht um Königsmord, Verzicht und viele neue Erfahrungen.

Wuppertal. Fünf Wochen sind vorbei, übrig sind nur noch wenige (Proben-)Tage: In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Wuppertal-Ronsdorf bleibt nicht viel Zeit, um den Königsmörder auf die Bühne zu bringen. „Macbeth in sechs Wochen — und dann auch noch mit Laien. Wenn man das einem Theaterpädagogen erzählt, sagt der: Das kann nicht funktionieren. Ihr seid wahnsinnig!“

Miriam Rösch schmunzelt. Die 34-Jährige muss es wissen — sie ist selbst Theaterpädagogin. Wie eine, die den Verstand verloren hat, fühlt sie sich allerdings nicht. Auch wenn es genau darum geht: Ab wann wird Wahnsinn Methode? Ab wann ist Macbeth nicht mehr zu retten? Ab wann wird man schuldig?

Keine Frage: Es ist eine außergewöhnliche Kooperation, die am 27. April Premiere feiert. Die Wuppertaler Bühnen, die JVA und die Evangelische Gefängnisseelsorge machen es möglich: „Macbeth — Schlaflos in Wuppertal“ heißt das Projekt, das der Evangelische Kirchenkreis Wuppertal maßgeblich fördert und das sich für alle auszahlen soll. „Es ist für beide Seiten eine Riesenchance — diesseits wie jenseits der Mauern“, sagt Superintendentin Ilka Federschmidt.

Für die 17- bis 21-Jährigen, die hinter Gittern Theater machen und sich im Namen Shakespeares drei Stunden pro Tag mit dem tragischen Stoff auseinandersetzen, hat das Spiel um Schuld, Sühne und schlaflose Nächte eine ganz andere Bedeutung als für die Darsteller, mit denen es Regisseur Peter Wallgram sonst zu tun hat.

„Die Inhaftierten machen ganz neue Erfahrungen“, erklärt Jönk Schnitzius, evangelischer Pfarrer und Projektleiter. „Bisher haben sie sich hauptsächlich als Verlierer wahrgenommen.“ Ausgerechnet eine Geschichte um Machtgier und Verrat soll dies nun ändern. „Es ist möglich, die Rollen zu wechseln“, erklärt Schnitzius. „Genau das soll das Projekt zeigen. Deshalb gibt es auch keine festen Rollen. Jeder spielt jeden.“

Das klingt nach Sozialromantik. Doch der Pfarrer, der als Gefängnisseelsorger die Sorgen der Inhaftierten kennt, ist realistisch genug, um zu wissen, dass die Umsetzung nicht einfach ist. Rund 500 Haftplätze gibt es in der JVA, 27 Männer signalisierten Interesse. Nach zwei Auswahltagen blieben zehn übrig, aktuell sind noch neun dabei. „Die Männer verzichten während der Proben auf vieles — auf Sport und Besuche.“

„Bisher haben sie zumeist die Erfahrung gemacht, Dinge nicht zu beenden. Nun stellen wir fest, dass sie durch das Projekt viel konzentrierter arbeiten als vorher.“ Andererseits „muss man auch sagen, dass die Stimmungsschwankungen groß sind“. Auch Rösch hat festgestellt, „dass die Frustrationstoleranz geringer ist“ als bei anderen Schauspielern. „Aber ich mag sie, sie sind alle liebenswert.“