Theater: Eine Prise Zynismus zuviel
Michail Bulgakows „Sojas Wohnung“ am Schauspielhaus.
Düsseldorf. Soja trug früher ihre Seidenstrümpfe nur einen Tag, und der drogensüchtige Greis war mal ein Graf. Die Revolution lässt sie alt aussehen, wie Gespenster aus einer früheren Zeit. Mit ihren Zauselperücken sehen Janina Sachau und Winfried Küppers wie Gestalten aus Becketts Endspielen aus.
Aber Soja ist ein quicklebendiges Gespenst: Sie kämpft um ihre große Moskauer Wohnung, die sie mit der arbeitenden Bevölkerung teilen müsste (13,5 Quadratmeter pro Person!), indem sie den Grafen aufnimmt sowie ihren "Cousin" Amethystow, dazu ihre "Nichte", das Dienstmädchen Manjuschka. Außerdem leitet sie eine Schneiderwerkstatt, die in Wahrheit ein Amüsierbetrieb ist.
1926 schrieb Michail Bulgakow sein Stück "Sojas Wohnung", das erstaunlicherweise gleich uraufgeführt wurde. Denn die Satire richtete sich nicht bloß gegen die unbelehrbare Bourgeoisie, die sich in der Zeit der "Neuen ökonomischen Politik", als die Sowjets vorsichtig wieder privates Unternehmertum zuließen, rasch bereicherte, sondern auch gegen die korrupten Beamten und Parteigenossen. Zum Ende wird die Staatsmacht dennoch diesen Lasterpfuhl ausmisten - bei Bulgakow.
Sebastian Baumgarten, der nach "Der Meister und Margarita" zum zweiten Mal Bulgakow inszeniert, führt den Zynismus weiter: Man lässt die Unbelehrbaren mit Visa nach Paris gehen, aber dann hört man eine Explosion, und ein Putin-Bild wird eingeblendet mit aalglatten Statements zu Terroranschlägen.
Dieser Einbruch der Realität lässt die Groteske auf der Bühne endgültig alt aussehen. Sebastian Baumgarten bedient zwar gekonnt die Komik, vom Slapstick bis zum Running Gag, und das Ensemble folgt ihm.
Schwungvoll charmiert Maria Kwiatkowsky als freches Dienstmädchen, Rainer Galkes Industriedirektor Fuchs erfreut als schwergewichtiger Lenin-Verschnitt, Achim Buch als artistischer Amethystow, Denis Geyersbach als windiger Drogenhändler. Doch bleiben sie Karikaturen, und die Bühne von Thilo Reuther zeigt, dass alles nur Schein ist: Wände drehen sich, Leninporträts weichen nackten Frauenschenkeln, Räume sind nur Fototapeten, das plärrende Radio ist auch Abhörstation.
Aber der ganze postmoderne Aktionismus zielt ins Leere, denn er erzählt uns nicht mehr, als dass die Menschen halt käuflich sind. Dagegen können offenbar auch die Gespenster des Kommunismus nichts ausrichten, die Baumgarten aufmarschieren lässt - von Marx bis Che Guevara.
2 Std. ohne Pause, Auff.: 29.9., 3., 4. 10., 19.30 Uhr, Düsseldorfer Schauspielhaus, Kleines Haus, Karten: Tel. 0211/369911