Interview: „Ich wollte zu weit gehen“
Charlotte Gainsbourg über ihre extreme Rolle in Lars von Triers Schocker „Antichrist“.
Cannes. Radikal, schockierend, empörend: Das waren die Reaktionen auf Lars von Triers "Antichrist", den Aufregerfilm beim Festival in Cannes. Größer als der Aufruhr war jedoch der Applaus für die Hauptdarstellerin Charlotte Gainsbourg.
Die 37-jährige Tochter von Serge Gainsbourg und Jane Birkin wurde für ihre Leistung in Cannes als beste Hauptdarstellerin geehrt. Am Donnerstag kommt der komplett im Bergischen gedrehte Film ins Kino.
Gainsbourg: Ja, das hatte ich erwartet - oder sogar erhofft. Schlimm wäre gewesen, wenn der Film nur lauwarme Reaktionen provoziert hätte. Ich wusste schon, dass er harter Tobak ist, gerade die pornographischen Szenen.
Gainsbourg: Er war es - Lars. Als ich hörte, dass er jemanden sucht, wollte ich es unbedingt machen!
Gainsbourg: Ja, das hatte ich auch gehört. Daher hatte ich Lars in Verdacht, dass er ein bisschen hart mit Schauspielerinnen umgeht. Vor dem ersten Treffen war ich auch etwas nervös, weil ich nicht wusste, ob er brutal sein würde oder bösartig. Aber dann wirkte er so zerbrechlich und zitterte die ganze Zeit.
Gainsbourg: Er fragte mich auch immer wieder, was meine Ängste sind und ob ich Erfahrungen mit Panik-Attacken habe. Je mehr er meine geistige Gesundheit in Frage stellte, desto normaler fühlte ich mich, und wurde immer ruhiger. (lacht)
Gainsbourg: Das ist kein Mut. Ich denke, alle Schauspieler haben den Ehrgeiz, etwas Extremes zu spielen. Ich glaube nicht, dass ich deswegen verrückt bin. Man sucht immer originelles Material, um sich selbst herauszufordern. Lars wollte nicht, dass ich mich verstecke. Und nicht nur wegen der Nacktszenen, ich konnte mich auch bei den emotionalen Szenen nicht verstecken.
Gainsbourg: Ja, aber das wollte ich ja. Ich habe mich von Lars nie verraten gefühlt. Alles war ganz präzise vorgeschrieben. Von manchen Szenen gab es sogar Storyboards, damit Willem Dafoe und ich ganz genau Bescheid wussten, wie wir uns in den heiklen Szenen zu verhalten hatten.
Daher gab es keine Überraschungen. Ich wusste, es würde sehr exhibitionistisch werden. Ich weiß auch, dass ich das in mir habe. Auch wenn ich sonst körperlich zurückhaltend und fast schamhaft bin. Ich wollte etwas zu weit gehen, meine Grenzen überschreiten.
Gainsbourg: Nein, noch nicht, ich möchte aber, dass sie ihn sieht. Sie war so etwas wie meine Komplizin am Set. Wir haben jeden Abend telefoniert oder uns SMS geschickt. Das half mir, über die traumatischen Szenen, die ich tagsüber gedreht hatte, zu lachen.
Es war so entlastend, ihr meinen Tag zu beschreiben: "Rate mal, was ich heute wieder getan habe!" Ich konnte ihr ja viel bieten, alles von Sex bis Blut - es war ja wirklich recht heftig. Aber wenn man das in eine SMS verpackt, verliert es seinen Schrecken und klingt eher komisch.