Manchmal ist der Kopf nur Korken für den Hals
Dieter Nuhr begeistert ein Testpublikum mit dem Programm „Nuhr die Ruhe“.
Düsseldorf. Dieter Nuhr scheint sich nach Besinnlichkeit zu sehnen. Oft erzählt er von seinen Reisen in den Himalaya, von entspannten Begegnungen mit buddhistischen Mönchen, während in Deutschland die Panik regiert: "Kaum ist mal Ruhe, kommt einer und plärrt ’rum." Er habe schon zu oft den Weltuntergang erlebt, der sei immer abgesagt worden. Deshalb will er sich nicht mehr aufregen.
"Nuhr die Ruhe" heißt das neue Programm des Kabarettisten, was folgerichtig ist, leben doch viele seiner Witze von scheinbar beiläufigem Flüsterton, von Verzögerungen, Tempowechseln und Pointen, die sich langsam aufbauen.
"Politiker, das ist kein angesehener Beruf." Pause. "Politiker, das kommt sozial nur knapp vor Kinderschändern." Pause. "Oder Bankern." Pause. "Obwohl, soweit würde ich nicht gehen." Viel Gelächter. Er kann sehr bissig sein, gerade wegen seiner freundlichen Art des Vortrags, und dann ist Nuhr besonders stark.
Der Abend in der Düsseldorfer Freizeitstätte Garath war als Vorpremiere angekündigt. Ein ausverkauftes Heimspiel für Nuhr, der in Düsseldorf zur Schule ging und in Ratingen lebt. Unter anderem hier und im Kom(m)ödchen probiert Nuhr seine neuen Texte aus.
Er testet ein Bühnenprogramm sozusagen am Endverbraucher, denn natürlich spielt die Wirtschaftskrise und das Verbraucherleben, dessen Bestimmung der Konsum ist, eine große Rolle: "Ich kaufe nachweislich Sachen, die ich nicht brauche. Ich habe wirklich jeden Dreck gekauft. An mir liegt’s nicht", sagt er stolz.
Und dann beginnt er sich zu fragen, worüber sich die Leute so alles aufregen, wo doch vieles sowieso unvermeidlich sei, der Tod etwa. "Ja, bald liegen wir alle in der Kiste." Stille im Saal. "Gut, ich glaube, das streiche ich." Der Test zeigt erste Ergebnisse.
Ein Hauptproblem hat Dieter Nuhr ausgemacht: den Verstand des Menschen. Der sei vor allem deshalb problematisch, weil viele glaubten, einen zu haben, der Kopf aber oft nur ein Korken für den Hals sei. "Wenn 90 Prozent der Leute denken, dass 90 Prozent der Leute bekloppt sind, dann stimmt doch was nicht. Das wären ja 180 Prozent Bekloppte."
Dann die Beruhigung: Wir könnten alle eh nichts für irgendwas, so sei das Hirn eben. Es gaukelt uns etwas vor. Nuhr ist plötzlich kurz vor dem Fatalismus. Das sind diese Stellen, an denen man noch eine Art roten Faden im Programm sucht.
Zu oft hüpft Nuhr von der großen Politik zu absurden Alltags-Kleinigkeiten, weiter zum Menschsein an sich und wieder zurück. Das Programm ist noch in der Entstehung, und es wird sicher ein Publikumserfolg. Das Zeug zum großen Wurf hat es aber nicht.
Probe hin oder her, sichere Gags gibt es durchaus. Zur Mode: "Jetzt ist Escada pleite, falls es MCM auch trifft, kann Düsseldorf zumachen. Dann noch Takko und KiK, und Köln ist auch am Ende." Danach lächelt Nuhr. Weil manche Witze eben immer funktionieren. Großer Applaus und viel Beifall vom begeisterten Publikum.