Nachruf Der Pionier der „Arte povera“ ist gestorben
Nachruf auf Jannis Kounellis, der mit Feuer, Kohle und wiehernden Pferden arbeitete.
Rom. Der Bildhauer und Bühnenbildner Jannis Kounellis ist tot. Er starb mit 80 Jahren in seiner Wahlheimat Rom. Er war ein Geistesverwandter von Joseph Beuys, dessentwegen er 1993 nach Düsseldorf kam und neun Jahre als Professor an der Kunstakademie lehrte. Wie Beuys war er ein Visionär und Humanist. Wie kein anderer konnte Räume mit Energie aufladen und grandiose Bühnenbilder schaffen.
In Piräus als Sohn einer Pianistin und eines Schiffsingenieurs geboren, kam er mit 20 Jahren als Student ins damalige Zentrum der Avantgarde nach Rom und blieb. 1969 stellte er bei L’Attico in einer weiß getünchten Garage zwölf lebende Reitpferde aus, die scharrten, schnaubten und stanken. Unweit von Mark Aurels bronzenem Reiterstandbild auf dem Kapitol war dies ein Affront gegen die klassische Kunst. Die Schau wurde zum Inbegriff der „Arte povera“ und die Galerie zum theatralischen, lebendigen Raum.
Kounellis stand für eine radikal veränderte Kunst. Das Tafelbild hatte er längst aufgegeben, er malte und zeichnete mit der Stichflamme, hängte echte Fleischstücke wie Stillleben auf und arbeitete bis zuletzt mit Kohlesäcken. Er schuf ein Gesamtkunstwerk aus Sprache, Musik, Bewegung und Aktion. Seit 1991 arbeitete er immer auch fürs Theater. In Deutschland entstanden „Die Mauser“ von und mit Heiner Müller für das Deutsche Theater Berlin und das Düsseldorfer Schauspielhaus sowie „Electra“ für die Staatsoper Berlin und fürs Chatelet in Paris. Seine „Beuys“ Oper in der Musik von Franz Hummel fand 1998 in einer Rheinmetallhalle in Düsseldorf vor drei ausrangierten Eisenbahnzügen statt. Wie beim „armen Theater“ des Polen Jerzey Grotowski kam auch er ohne Kostüme und Schminke, ohne Trennung von Bühne und Zuschauerraum aus.