Machtkampf im Beton-Bunker „Maria Stuart“ im Düsseldorfer Schauspielhaus
Düsseldorf · Der Machtkampf zwischen Maria Stuart und Elisabeth I gilt als eines der spannendsten Kapitel der britischen Geschichte. Nun wurde es opulent auf die Düsseldorfer Bühne gebracht.
Nur nach Außen ist Elisabeth I. die starke Herrscherin. Wenn knallharte Entscheidungen zu fällen sind, wird sie zur Zauderin. Sie zittert, gerät in Panik, zögert bis zur letzten Minute: Die britische Königin will das Todesurteil über ihre Cousine Maria Stuart einfach nicht unterschreiben. Doch das tobende Volk draußen verlangt lautstark nach Marias Hinrichtung. So händigt sie gegen ihren Willen das Todes-Dokument dem Staatssekretär aus, der es wie ein vergiftetes Papier mit spitzen Fingern an den Vollstrecker Lord Burleigh weiterreicht.
Nachdem die stolze Königin von Schottland mit erhobenem Haupt zum Henker geschritten ist, sitzt die britische Monarchin in güldenem Hosenanzug allein auf weiter Schloss-Flur. Und träumt sich in ihre Jugend zurück – untermalt von Hildegard Knefs gehauchtem „Für mich soll’s rote Rosen regnen“. Mit diesem ironischen Schlenker endet Schillers berühmtes Trauerspiel „Maria Stuart“ in der Neu-Inszenierung von Laura Linnenbaum und Bühnen-Architekt Valentin Baumeister im gut besuchten Düsseldorfer Schauspielhaus. Immerhin durften 505 Plätze (zwei Drittel des Gesamt-Kontingents) besetzt werden. Begeistert gefeiert wurden nach der Premiere neben dem Regieteam besonders die Hauptdarstellerinnen Judith Bohle (Maria) und Minna Wündrich (Elisabeth).
Angeregt wurde der Aufklärer Schiller zu dem Fünf-Akter am Ende des 18. Jahrhunderts – durch die Terror-Herrschaft der Französischen Revolution und die Tötung der Königin Marie-Antoinette durch die Guillotine. In seinem Trauerspiel bezieht sich Schiller auf historische Fakten von 1587: Die schottische Königin ließ ihren Mann ermorden, heiratete den Gatten-Mörder und wurde von den Schotten verjagt.
Sie flieht nach England, wo Elisabeth sie in den Kerker steckt, weil sie befürchten muss, dass Maria den englischen Thron beanspruchen könnte. Zumal Höflinge und Günstlinge an Elisabeths Hof den Reizen der bildschönen Maria erlegen sind. Wie eine geschmeidige Raubkatze schleicht sie – zunächst in Unterwäsche – durch den Käfig, spinnt ihre Fäden gegen Elisabeth. Sinnlich und differenziert auf den Punkt gebracht von Judith Bohle. Zur Begegnung mit der Feindin erscheint sie ebenbürtig, in royaler Groß-Garderobe. Und schleudert ihr „Bastard“ an den Kopf: Maria betrachtet sich als rechtmäßige Thronerbin, da Elisabeth nur die Tochter Heinrichs VIII. und der Hofdame Anne Boleyn ist.
Regisseurin Linnenbaum verdichtet den Zweieinhalb-Stunden-Abend insgesamt aber auf Elisabeths innere und äußere Kämpfe (von Minna Wündrich exzellent herausgearbeitet) und das Intrigenspiel des janusköpfigen, aalglatten Günstlings Graf Leicester. Eine Paraderolle für Wolfgang Michalek. Er schwört Elisabeth ewige Treue, beteiligt sich aber am Aufstand der Maria-Getreuen gegen sie. Denn er liebt, wie auch Mortimer, die schöne Schottin. Nach Auffliegen des Komplotts nimmt sich Mortimer das Leben, doch Leicester kann dank eines rhetorischen Meisterstücks seinen Kopf aus der Schlinge ziehen.
Suggestive Bilder entstehen in erster Linie durch die opernhafte Ausstattung von Valentin Baumeister. Eine raumsprengende, angeschrägte Mauer in Rostrot dominiert die Bühne. Mal verfolgt Elisabeth in historisierendem, weißem Reifrock ganz, mal klettert sie gebeugt durch die Gänge. Riesige Blöcke fahren hoch, runter oder seitwärts. Mal geben sie den Blick frei auf das Gefängnis, dann wieder auf das Schloss Fotheringhay. Die Bühne wirkt häufig wie ein abweisender Beton-Bunker, in dem die einsame Königin Sicherheit und Halt sucht. Sie ist der Antityp (auch) zur historischen Maria, die einen enormen Männerverschleiß hatte.
Wechsel: Während des Attentats auf Elisabeth öffnet sich die Festung und mutiert zum Höllenschlund. Später schnappt die Falle für die Aufständischen zu. Alles begleitet von einer bedrohlichen Geräuschkulisse. Um nicht in dieser spektakulären Konstruktion zu erstarren, folgen die Schauspieler einer präzisen Choreographie: Sie müssen laufen, kriechen, paradieren und zwischen den schrägen Mauer-Spalten balancieren.
Fazit: Spektakuläres Dekor, starke Darsteller und ein psychologisch aufgeheizter Kampf um Macht und Zuneigung zwischen zwei Monarchinnen.
Weitere Aufführungen: 29. Jan., 7. 15. Feb.; Tel.: 0211-369911