Kunstsammlung am Grabbeplatz Royaler Glanz zur Eröffnung der Munch-Ausstellung

Düsseldorf. · Der berühmte Dichter Karl Ove Knausgård eröffnet am Freitag mit dem norwegischen Kronprinzenpaar die Schau in der Düsseldorfer Kunstsammlung.

Der Bestsellerautor Karl Ove Knausgård hat die Schau mit Bildern von Edvard Munch gestaltet. Gezeigt werden weniger bekannte, aber dennoch eindringliche Bilder des berühmten Malers.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Über der Kunstsammlung am Grabbeplatz geht die Sonne auf. Sie stammt vom Jahrhundertmaler Edvard Munch, dessen beliebtes Motiv „Der Schrei“ vor sieben Jahren dem Auktionshaus Sotheby’s die historische Summe von 91,5 Millionen Euro bescherte. Den „Schrei“ gibt es allerdings nicht im Düsseldorfer K20. Auch alle anderen Ikonen zu Eifersucht, Pubertät, Melancholie und Krankheit bleiben in Oslo. Stattdessen sah sich Norwegens berühmtester Dichter Karl Ove Knausgård im Depot des Munch-Museums um. Pünktlich zur Frankfurter Buchmesse, bei der Norwegen das Gastland ist, verleiht er zugleich der Landeshauptstadt royalen Glanz. Bei der Vernissage am Freitag weilt das Kronprinzenpaar Mette-Marit und Haakon am Grabbeplatz.

Jedermann ist willkommen zur Vernissage mit dem Prinzenpaar

Ihre Königliche Hoheit Mette-Marit, die als Tochter eines Verlegers sogar ein Buch über ihr „Heimatland“ initiierte und die mit dem Dichter Knausgård einst dieselbe Schule und dieselben Partys besuchte, ist eine Kennerin der Literatur. Und sie ist eine weltoffene Frau, für die es selbstverständlich ist, dass die heutige Vernissage für jedermann offen ist. Da vermutlich Hunderte von Fans diesem Ereignis im Beisein des Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) beiwohnen wollen, müssen sie sich sputen, um einen Platz im Auditorium zu ergattern. Die Reden werden ab 19 Uhr auch in den Skulpturensaal übertragen.

Doch nun zur Ausstellung selbst: Sie begeistert und enttäuscht. Da die großen Themen fehlen und durch Motive wie einen Gemüse-Acker ersetzt werden, konzentriert sich der Betrachter auf die Malerei selbst. Gleich zur Begrüßung stößt er auf das Sonnenbild von 1912. Wie knallhart es gemalt ist, wie grob mit stumpfer Farbe auf das dicke Leinen gepinselt. Knausgård, der Dichter, der die Ausstellung kuratierte, lobt die Sonne als „Wiedergeburt“ nach der Lebenskrise. Sie scheint jedoch die Dinge auf der Erde verbrennen zu wollen. Und Munch, der unzählige Bilder bei Regen und Sonnenschein in seinen Open-Air-Garten stellte, kümmerte sich nicht um das, was die Natur mit der Kunst anstellte.

Knausgård ist ein Seelenforscher, der seinem eigenen Denken und Handeln in sechs dicken Wälzern nachspürte und damit Weltruhm erlangte. Er ist nicht der typische Kurator, der Kunstgeschichte studierte und mit objektiver Distanz über seinen Kollegen Munch nachdenkt. Es sind die intensiven Gefühle, in denen sich die beiden Künstler am nächsten stehen. Der Dichter schafft es aber zugleich, über die Abgründe des Malers hinweg auch die hellen, leichten, farbenfrohen Seiten zu sehen. Dies tut er im ersten von vier Räumen unter dem Motto „Licht und Landschaft“.

Viel Lieblichkeit kommt da zu Tage, im „Mohnblumenbeet“ und beim „Blumengießen“. Der Betrachter ertappt sich, wie er schnell an derlei Farbfreude vorbeihuscht, bis er bei den beiden Frauen unter dem Baum stehen bleibt. Hier plötzlich, mitten in der idyllischen Landschaft, schleicht sich etwas Ungeheures ins Bild: Zwei Frauen links und rechts vom Baum, die eine in Dunkel, die andere in Hell gekleidet. Beide halten sich am Stamm fest. Schaut man genauer hin, sieht man die merkwürdige Fratze, die da mit grünem Haar aus dem Stamm hervorlugt.

Der nächste Raum, der unter dem Motiv „Der Wald“ läuft, ist ein Härtetest, denn Knausgård ist ein Sturkopf, der dem Betrachter eine Ulme nach der anderen zumutet. Menschen sind auf derlei Bildern allenfalls Staffage. Es gibt gar ein Motiv, „Frühling im Ulmenwald“ (1923-25), da beugt sich eine schöne, schlanke Frau, ganz in Hellrot gekleidet, als wolle sie dem Baum ein Opfer bringen. Im Übrigen sieht der Betrachter Baumstämme im Herbst und im Schnee, Knorriges und Schlankes, Dunkles in der Sternennacht und Impressionistisches auf dem Waldboden.  „In seinen Landschaften ist die Leere das Wesentliche, die Abwesenheit des Menschen“, bekommen wir von Knaus­gård mit auf den Weg.

Dramatisch ist auch das Eifersuchtsmotiv

Im dritten Raum kommen die Überraschungen. Hier wird das Unfertige, die Leere, die bloße Leinwand zur „Blutkaskade“ (1915-16). Eigentlich ist es ja nur ein stark vereinfachter Wasserfall, wäre das Wasser nicht so rot wie Menstruationsblut, das nicht zur Befruchtung führt, sondern in einer bloßen Lache endet. Dramatisch ist auch das „Eifersuchtsmotiv“ (1929/30): Es zeigt die  Büste eines Mannes in lehmigem Braungelb, dessen kahler Kopf in den Oberkörper sackt, sowie eine gespenstische Silhouette, die sich über das Gesicht beugt.  Zwei ganz locker angedeutete Gestalten lassen glauben, dass sich die Szene doch noch zum guten Ende entwickeln wird. Alles Beredte ist verschwunden, der Lebenskampf erscheint umso grausamer. Als wolle Knausgård den allbekannten Munch aussperren, schließt er die Schau mit einer Porträtserie ab. „Alle Porträts zeigen Menschen, denen Munch begegnet ist und zu denen er eine Beziehung aufgebaut hat. Manche von ihnen hat er geliebt, manche von ihnen hat er gefürchtet, mit manchen hat er getrunken und gelacht ...“, so schreibt der Dichter.

Der Konsul erscheint wie eine Figur aus dem Berliner Theater

Die Personen sind lebensgroß und repräsentativ wiedergeben. Nur selten lugt der Schalk aus den Darstellungen, wenn Konsul Christen Sandberg mit korpulenter Statur wie ein Schauspieler aus Munchs Jahren am Max-Reinhardt-Theater in Berlin vor uns steht. Am besten gelungen ist Jens Thiis, damals Direktor der Nationalgalerie in Oslo. Ein bisschen eitel schaut er aus seinem knapp bemessenen Anzug. Das durfte er auch, kaufte  er doch dem Maler die besten Museumsstücke ab, die eben nicht mit dem Nachlass ins Munch-Museum wanderten, aus dem die Ausstellungsstücke kommen.

Für die Kunstsammlung ist die Schau mit 140 Bildern ein Novum. Erstmals wird ein Künstler präsentiert, von dem das Haus kein einziges Bild besitzt. Am  Reigen der Tourneen durch Paris, London oder Essen war das Museum nie beteiligt. Da musste erst Knausgård kommen. Sein großer Verdienst ist es, dass wir Munch nun so sehen, als würden wir ihn erstmals betrachten.