100 Jahre Louis de Funès
Paris (dpa) - Er habe als Kind eine sonderbare Idealvorstellung von seinem Leben gehabt, schrieb einst der Autor Walter Kempowski: „im Bett liegen, Dick-und-Doof-Filme sehen und dazu Marmeladenbrote essen“.
Das Ganze könnte man auch auf Französisch träumen: also im Bett liegen und Komödien mit Louis de Funès ansehen und dazu Croissants oder Madeleines naschen. Kaum ein Filmkünstler kann einen verregneten Sonntagnachmittag derart versüßen wie der „Uh! Ah! Oh! Nein!“-Komiker.
Vor hundert Jahren, am 31. Juli 1914, kam der Filmstar spanischer Abstammung, der eigentlich Louis Germain David de Funès de Galarza hieß, in Courbevoie bei Paris zur Welt.
Als Gendarm von Saint-Tropez, der Nudisten jagt, oder als Kommissar Juve, dem der Masken-Verbrecher „Fantomas“ immer wieder entkommt: Frankreichs Starkomiker strapazierte jahrzehntelang die Lachmuskeln des Kinopublikums. Sein Vater war ein aus Spanien emigrierter Rechtsanwalt und bankrotter Diamantenhändler.
Lange Zeit wurde der quirlige de Funès, der ein guter Jazz-Pianist war, im Filmgeschäft nur in Nebenrollen besetzt. Erst nach langer Durststrecke - er hatte auch als Dekorateur, Hilfsbuchhalter und Kürschner gejobbt und sein Schauspielstudium als Bar-Pianist finanziert - setzte er sich international als Kinostar durch.
Fans sehen in dem Mann von nur etwas über 1,60 Meter Körpergröße einen überragenden Künstler, mancher findet den kleinen Franzosen dagegen bloß albern. Spätestens seit er am 27. Januar 1983 mit erst 68 Jahren nach mehreren Herzinfarkten starb, sind die Filme des Slapstick- und Grimassen-Meisters zu Fernseh-Hits geworden.
„Seine Interpretation dessen, was die Menschen - unter der Oberfläche der Wörter - empfinden und verstehen können, ist schlicht und ergreifend meisterhaft“, schrieb die Verhaltensforscherin Jane Goodall in ihrem Vorwort für die Biografie „Der Querkopf“ der Söhne Patrick und Olivier de Funès.
Der Komiker, der in seiner kauzigen Art - bezogen auf den deutschsprachigen Raum - irgendwo zwischen Loriot, Heinz Erhardt und Hans Moser anzusiedeln wäre, wirkte in etwa 100 Filmen mit. Klassiker sind nur einige Dutzend davon geworden.
Zu seinen größten Erfolgen zählten in den 60er und 70er Jahren der Weltkriegsfilm „Die große Sause“ beziehungsweise „Drei Bruchpiloten in Paris“ (La grande vadrouille) oder aber die Komödie „Camouflage - Hasch mich, ich bin der Mörder“ über einen Drehbuchautoren mit echter Leiche unterm Garten-Pavillon.
Deutsche Verleiher haben den Werken mit dem Komiker oft recht einfältige Titel gegeben: zum Beispiel „Balduin, der Ferienschreck“ (Original: Les grandes vacances), „Balduin, der Trockenschwimmer“ (Le petit baigneur), „Balduin, der Sonntagsfahrer“ (Sur un arbre perché) oder „Louis und seine außerirdischen Kohlköpfe“ (La soupe aux choux).
Der Comedian Ingo Oschmann verteidigt den Kohlsuppen-Film, in dem Louis sich mit einem Alien anfreundet, im Magazin „GQ“ (August) wie folgt: „Dabei geht es nicht um Kohlsuppeessen, Pastistrinken und Pupsen. Nein, verdammt nochmal - es geht um die Tragik des Alterns und auf beeindruckende Art und Weise um die Liebe. Um die Liebe zu sich selbst, um die Liebe zu anderen und darum, dass Liebe auch Abschied heißen kann.“
Nach einem ersten Herzinfarkt 1975 stand de Funès rasch wieder vor der Kamera. In „Brust oder Keule“ (L'aile ou la cuisse) mimte er beispielsweise - in Anlehnung an die Michelin-Tester - einen gefürchteten Gourmet und Restaurant-Kritiker namens Charles Duchemin, der sich mit dem Fastfood-Fabrikanten Jacques Tricatel anlegt. Als eine seiner letzten Rollen erfüllte er sich den Traum, den Harpagon in der Molière-Verfilmung „Der Geizige“ (L'Avare; in Deutschland tatsächlich als „Louis, der Geizkragen“ vertrieben) zu spielen.
Privat war der Komiker, der meist als konservativer Patriarch und Choleriker brillierte, ein eher ruhiger Familienmensch. Er hielt sich vom Jetset und von der Politik fern, auch wenn er Einladungen der Präsidenten Charles de Gaulle, Georges Pompidou oder Valéry Giscard d'Estaing in den Pariser Elysée-Palast annahm und einmal sogar Giscard d'Estaing im Wahlkampf unterstützte.
Letzten Endes war er aber weder rechts noch links, auch wenn seine Filme oft übertrieben konservative Werte oder Dummheiten wie Rassismus und Antisemitismus bloßstellen und der Lächerlichkeit preisgeben, etwa „Die Abenteuer des Rabbi Jacob“ (Les Aventures de Rabbi Jacob), in dem er einen judenfeindlichen Unternehmer spielt, der wider Willen zum Rabbiner wird.
Den 1981 an die Macht gekommenen Sozialisten François Mitterrand hielt der Komiker übrigens für arrogant, wie seine Söhne schreiben. Sie zitieren ihn auch mit den Worten: „Die Politiker denken an nichts anderes als an die Macht! Sie bekommen gar nichts mit von der Schönheit um sie herum, vom Flieder, den Rosen, den Schmetterlingen.“
In zweiter Ehe war Louis de Funès mit Jeanne Barthélemy de Maupassant verheiratet, einer Großnichte des Schriftstellers Guy de Maupassant (1850-1893). Sie lebt heute laut „Süddeutscher Zeitung“ (Ausgabe 19./20. Juli 2014) hundertjährig in Paris.
Von der Familie seiner Frau erwarb er einst auch das Loire-Schloss Château de Clermont in Le Cellier bei Nantes. Dort liebte er es, Rosen zu züchten und seinen Park als Vogelschutzgebiet zu pflegen. Seit kurzem ist als Erinnerung in einem Anbau des Schlosses ein kleines Louis-de-Funès-Museum untergebracht.