Acht Minuten bis zur Explosion
Jake Gyllenhaal erlebt in „Source Code“ immer wieder sein eigenes gewaltsames Ende.
Kinder von Prominenten haben ein Problem: Im übergroßen Schatten ihrer Eltern fällt es vielen schwer, ihr eigenes Ding zu machen. Doch Duncan Jones ist dieses Kunststück gelungen. Mit 40 Jahren ist der Sohn von David Bowie auf einem gutem Weg, sich als Regisseur in Hollywood zu etablieren. 2009 legte er mit seinem „Moon“ ein fulminantes und preisgekröntes Regie-Debüt hin, jetzt kommt sein zweiter Film in die deutschen Kinos.
„Source Code“ (zu deutsch: Quellcode) ist ein bildgewaltiger und spannender Action-Thriller mit unerwarteten Wendungen und einem herausragenden Jake Gyllenhaal in der Hauptrolle. Er spielt den Hubschrauberpiloten Colter Stevens, der in einem Regionalzug kurz vor Chicago aufwacht. Er weiß weder, wo er ist, noch wie er dorthin gekommen ist. Das letzte, woran er sich erinnern kann, ist ein Gefecht in Afghanistan.
Doch es wird noch verwirrender. Seine Mitfahrerin Christina (Michelle Monaghan) scheint ihn gut und lange zu kennen, spricht ihn aber mit einem anderen Namen an. Und im Spiegel der Zug-Toilette sieht Colter in das Gesicht eines Fremden. Sekunden später fliegt der Zug in die Luft, es gibt keine Überlebenden.
Was final klingt, ist erst der Anfang der Geschichte. Colter Stevens ist Teil eines Experiments. Dank der „Source Code“-Technik kann er den Körper eines Zugpassagiers übernehmen — für die letzten acht Minuten vor dessen Tod.
Immer wieder muss er diese acht Minuten erleben. So soll er im Auftrag einer Spezialeinheit herausfinden, wer die Bombe gelegt hat — denn weitere Anschläge sind angekündigt. Wie so oft in Actionfilmen beginnt der Wettlauf gegen die Zeit. Das ist aber fast alles, was „Source Code“ mit den ganz klassischen Hollywood-Action-Krachern gemeinsam hat.
Denn Jones’ zweiter Film ist kaum vorhersehbar. „Künstlerisch haben wir einen guten Weg gefunden, aus den verrückten Ideen in meinem Kopf etwas zu machen, das das Publikum unterhalten kann“, sagt Jones. Und das gelingt dem britischen Regisseur ohne das in Hollywood verbreitete Pathos.
Auf den ersten Blick sind die Unterschiede zwischen „Moon“ und „Source Code“ gewaltig. Jones’ erster Spielfilm hatte auch dank des bescheidenen Budgets von rund fünf Millionen Dollar noch den Charme eines Science-Fiction-Films der 80er Jahre. „Source Code“ ist ein ganz anderes Kaliber, schließlich war das Budget rund sechs Mal höher. So sind die Bilder beeindruckender, die Schauspieler zahlreicher (in „Moon“ agierte Sam Rockwell fast allein) und die Wendungen in der Geschichte weniger überschaubar.
Der Kern der Geschichte aber ist durchaus zu vergleichen. In beiden Filmen sind zwei junge Männer auf sich allein gestellt in einer Welt, die sie nicht verstehen. In beiden Filmen stellen sie ihre eigene Identität infrage.
„Mich interessiert die Frage der Identität“, sagt Jones. „Die Tatsache, dass man sich selbst oft anders sieht als Freunde und Familie — und Fremde sowieso — das tun, finde ich spannend. All diese unterschiedlichen Eindrücke, mögen sie auch noch so gegensätzlich sein, sind alle gleichermaßen wahr.“