Angelina Jolies Anti-Wohlfühl-Film
Schlagfertig begegnet der Superstar Kritikern, die ihm politische Einseitigkeit vorwerfen.
Berlin. Schon im Hausflur ahnt die Mutter, dass etwas Furchtbares geschehen ist. Die Nachbarn wagen nicht, der heimkehrenden Frau ins Gesicht zu blicken. Soldaten haben ihr Baby aus dem Fenster geworfen. Einfach so. Lejla schaut nach unten und sieht das tote Kind im Schnee.
Kaum zu ertragen ist diese Szene aus Angelina Jolies Film „In the Land of Blood and Honey“, den sie am Samstag auf der Berlinale vorgestellt hat. Mit Grausamkeiten spart der Superstar aus Hollywood nicht: „Gerade weil ich eine Mutter bin, fühle ich mich verantwortlich, die Schrecken des Krieges auch zu zeigen.“ Wer zuschaue, dürfe sich nicht wohl fühlen.
Über zwei Stunden hinweg folgt eine Vergewaltigung der nächsten, eine Massenexekution dem willkürlichen Morden Unschuldiger. Die Täter sind Serben, die Opfer bosnische Moslems — vorwiegend Frauen. In den Mittelpunkt ihrer ersten Regiearbeit, für die Jolie auch das Drehbuch geschrieben hat, stellt sie ein Paar, dessen Liebe beginnt, als der Krieg in Jugoslawien ausbricht.
Danach ist die bosnische Künstlerin dem serbischen Offizier ausgeliefert: Sie ist seine Geliebte und Gefangene. Vertrauen und Angst, Leidenschaft und Hass spiegeln sich auf ihren Gesichtern. Doch schon bald möchte man sich auf ihre Beziehung nicht mehr einlassen. Zu sehr verstört die Brutalität, zu wenig überzeugt Jolies Individualisierung des Konflikts.
In Berlin muss sie sich erneut dem Vorwurf stellen, die Serben als Schuldige des Konflikts vorzuführen. Ihre Reaktion ist souverän und entschieden: „Ich habe keine Dokumentation gedreht. Der Krieg hat viele Seiten, ich zeige eine.“ Ihre ausgezeichneten Schauspieler stammen aus Sarajevo und der Region.
Die Serben, Kroaten und Bosnier haben ihre Erfahrungen und ihre Sprache in den Film gebracht. Das verleiht dem Projekt eine Wahrhaftigkeit und Entschiedenheit, die man Jolie wohl nicht zugetraut hätte.
Überhaupt steht der schlanken Schönheit ihre neue Rolle gut. Die 36-Jährige präsentiert sich als Teil eines Teams. Sympathisch normal antwortet sie auf die Frage von Anke Engelke, was sie nach diesem wichtigen Projekt tun wolle. Halb entschuldigend sagt Jolie: „Eine Disney-Produktion für Kinder.“