Benno Fürmann im Interview „Ausgesorgt habe ich nicht“

Benno Fürmann im Gespräch mit unserer Zeitung über seinen neuen Film „Volt“, Geld, Glück und seinen Anspruch an anspruchsvolles Kino.

Zwischen seinem Geburtstag und einer Reise nach Afrika erzählt Benno Fürmann in einem Interview von seinem neuen Film.

Foto: dpa

Düsseldorf. Vor zehn Tagen hat Schauspieler Benno Fürmann seinen 45. Geburtstag gefeiert, morgen fliegt er mit seiner 14-jährigen Tochter nach Afrika. Zwischendurch besuchte er Donnerstagabend noch mal Düsseldorf — zur Premiere seines neuen Films „Volt“, der am 2. Februar in den Kinos startet.

Herr Fürmann, in „Volt“ verschwinden die Staatsgrenzen komplett, kämpft Unten gegen Oben - halten Sie das für ein realistisches Szenario?

Benno Fürmann: Transitzonen haben wir ja in Ungarn jetzt schon. Und wenn ich sehe, dass die deutsche jetzt die libysche Küstenwache ausbildet, damit Boote das Land nicht mehr verlassen, da wird mir schlecht. Zudem war die Schere zwischen Oben und Unten lange nicht so krass. Wir haben eine geringe Arbeitslosigkeit - aber wie viele von uns sind heute denn noch wirklich abgesichert? Das erzählt unser Film: eine zerrissene Gesellschaft.

Glauben Sie an einen politischen oder gesellschaftlichen Auftrag des Kinos?

Fürmann: Ja, aber nicht ausschließlich. Nicht jeder Film braucht einen politischen Auftrag. Es ist wie ein Abend mit Freunden bei einer Flasche Wein: Man streift die Politik im Gespräch genauso wie das Humorvolle. Das erwarte ich auch von einer gesunden Kinolandschaft. Am Ende hat man durch die Augen des Anderen hoffentlich etwas über sich selbst gelernt und fühlt sich ausgedehnter.

Sie sind selbst in sehr unterschiedlichen Bereichen — etwa für Amnesty International - engagiert. Sind Sie ein Weltverbesserer?

Fürmann: Sind wir nicht alle Weltverbesserer, wenn wir wach bleiben? Wir schauen doch auch im eigenen Freundeskreis, in der Familie hin. Man darf das Feld nicht den Arschlöchern überlassen - ich glaube, da haben wir eine Verpflichtung. Und ich habe von zu Hause mitbekommen, dass die Welt nicht vor der eigenen Haustür endet. Wir leben in Zeiten egoistischer und nationalistischer Tendenzen - die wir dachten, hinter uns gelassen zu haben. In der EU, in den USA. Ein Vollproll wie Trump, der ein Land regiert. Das ist beängstigend.

Sie selbst hatten einen nicht unbedingt leichten Start ins Leben - der frühe Tod Ihrer Eltern, Rumgejobbe nach der Schule ... Prägt Sie das bis heute?

Fürmann: Auf jeden Fall. Einen immer glücklichen Menschen beneide ich - aber ich bezweifle, dass er ein guter Schauspieler wäre. Du willst doch Kontur haben. Wie ein Baum, der vom Wind um ihn herum geformt und geprägt wird.

Sind Sie kein glücklicher Mensch?

Fürmann: Doch, aber nicht im Sinne dieser Lifestyle-Geschichten. Mir hat mein Leben nicht immer Spaß gemacht. Aber dann hätte ich auch nichts zu erzählen.

Trotzdem sind Sie ja alles andere als ein bierernster Typ. Ihre Bandbreite als Schauspieler reicht vom Proll Günni in der Serie „Und tschüss“ bis eben zu „Volt“, dem Polizisten, der einen Flüchtling erschießt und über seine Schuld schweigt. Was macht Ihnen denn mehr Spaß?

Fürmann: Spaß macht natürlich das Rumblödeln. Ich lache schon sehr viel. Aber wenn du viel gelacht hast und dir der Bauch wehtut, hast du auch mal wieder Lust auf Moll-Amplituden, leisere und sanftere Töne - da sind wir wieder beim Abend mit Freunden. Ich liebe Drama genau wie Komödie. Bei letzterer halte ich nur seltener mal ein gutes Drehbuch in der Hand.

Nimmt man sich irgendwann die Freiheit, auch mal einen Film abzulehnen, der ein Kassenschlager zu werden verspricht?

Fürmann: Ja klar. Natürlich muss ich Kompromisse machen, die Miete muss ja gezahlt werden. Aber wenn ich etwas nicht gut finde, komme ich auch nicht auf Touren.

Also hat man auch nach so langer Zeit im Geschäft nicht ausgesorgt?

Fürmann: Ausgesorgt habe ich nicht - die Miete ist aber gerade auch kein Problem. Als Schauspieler hangelt man sich immer von Ast zu Ast. Ich weiß noch nicht, was ich den Rest des Jahres mache. Die Unsicherheit ist ein stetiger Begleiter. Es sei denn, man ist fest an einem Stadttheater.

Und darauf haben Sie keine Lust?

Fürmann: Ich musste mich dem einmal aussetzen - vor zehn Jahren in Hamburg. Es war interessant. Filme zu drehen ist ja nie chronologisch: Du tötest die Frau, dann schläfst du mit ihr, dann lernst du sie kennen. Beim Theater geht der Vorhang auf, du spielst durch, der Vorhang geht zu. Spannend. Aber ich war von Anfang an ein Film-Typ.

Jetzt haben Sie mit Tarek Ehlail mit einem Filmemacher zusammengearbeitet, der wie sie keine geradlinige Biografie hat - Ex-Piercer, Ex-Boxer. Wie war das?

Fürmann: Top! Das Unmittelbare an Tarek gefällt mir. Er hat das Leben nicht durchintellektualisiert, aber den Intellekt, um durchzusetzen, was er will. Wir haben sofort eine Sprache gefunden. Er ist ein Mann, der brennt und sehr präsent ist - das finde ich spannend.

Sind Sie stolz auf den Film?

Fürmann: Ich bin begeistert. Die Story ist ja rasch erzählt, aber der Film lebt von seiner dichten Atmosphäre. Er ist kein Film für jeden, aber er ist genau das geworden, was er sein wollte: eine düstere Dystopie gefüllt mit Menschen, die kämpfen, um nicht unterzugehen.

Morgen fliegen Sie mit Ihrer Tochter nach Kenia - verfolgen Sie den Start des Films von dort?

Fürmann: Ich bin ein großer Fan von: Handy aus - Postkarten schreiben. Wenn ich einen Löwen vor mir habe, will ich keine Kinozahlen sehen, sondern den Löwen.