Berührendes Roadmovie und explizite Sexszenen in Cannes
Cannes (dpa) - Kurz vor dem Finale an diesem Wochenende bleibt das Rennen um die Goldene Palme beim Filmfestival in Cannes offen. Oscar-Preisträger Alexander Payne stellte am Donnerstag sein mit Spannung erwartetes neues Werk „Nebraska“ vor: ein anrührendes Roadmovie über die Reise eines Sohnes mit seinem alten Vater.
Auch das intime und sexuell explizite „La vie d'Adèle“ des Franzosen Abdellatif Kechiche überzeugte viele Zuschauer - vor allem die junge Hauptdarstellerin scheint beste Chancen auf eine Auszeichnung zu haben. Die letzten Wettbewerbsbeiträge dieses Festivals werden am Samstag gezeigt, die Vergabe der Preise ist am Sonntagabend.
Paynes in Schwarz-Weiß gedrehtes Werk folgt Woody und David Grant auf deren Fahrt nach sowie durch Nebraska. Woody (Bruce Dern) glaubt, eine Million Dollar gewonnen zu haben und möchte seinen Preis persönlich im Nachbar-Bundesstaat abholen. Ähnlich wie in seinen früheren Filmen wie „Sideways“ und „The Descendants“ fokussiert der US-Regisseur dabei auf die Beziehungen seiner Protagonisten, ihre Einsamkeit, ihre sanfte Annäherung. Das ist manchmal bitter, manchmal sehr humorvoll und vor allem melancholisch.
Kechiche legt mit „La vie d'Adèle“ ein unglaublich stark gespieltes Porträt einer jungen Frau vor. Im Mittelpunkt steht Adèle, die sich erst für Jungs interessiert, bis Emma in ihr Leben tritt. Kechiche folgt Adèle, wie sie und Emma sich annähern, wie die beiden ein Paar werden, wie sie sich im Lauf der Jahre voneinander entfernen. Seine Kamera ist dabei immer ganz nah bei Adèle, konzentriert sich oft auf deren Gesicht.
Faszinierend ist dabei nicht nur, dass der Film mit drei (!) Stunden kurzweilig wirkt, sondern dass Hauptdarstellerin Adèle Exarchopoulos diesen Raum ganz natürlich füllt. Ungewöhnlich sind auch die langen, ausführlich gezeigten Sex-Szenen der beiden Frauen. Doch trotz der Thematik legt Kechiche kein Werk vor, das sich als Film über ein lesbisches Paar zusammenfassen oder gar auf die Sex-Szenen reduzierten ließe, sondern vielmehr die universelle Geschichte einer Liebe - der ersten großen - erzählt.
In der renommierten Nebenreihe Un certain regard stand am Donnerstag auch die Premiere des einzigen deutschen Spielfilms in Cannes auf dem Programm. Das Debüt „Tore tanzt“ von Regisseurin Katrin Gebbe kreist um den Heranwachsenden Tore, der sich durch Zufall mit einer fremden Familie befreundet, bei ihr einzieht und dann fürchterlichen Missbrauch erlebt. Der beginnt schleichend, ist erst verbal und wird zunehmend aggressiver, gewalttätiger.
Gebbe findet dafür zum Teil sehr poetische, der harschen Realität entrückte Bilder - ein Film, der nachwirkt. Selbst wenn sie in Cannes nichts gewinnen sollte, hat das Filmfestival mit der in Hamburg lebenden Gebbe doch eine beachtenswerte deutsche Jungregisseurin entdeckt.