„Das Schmuckstück“: Mit den Waffen einer Frau
Catherine Deneuve muckt in Francois Ozons „Das Schmuckstück“ gegen das Patriarchat auf. Das bedeutet launige Hommage und grelle Politsatire in einem.
Es ist 1977, in der Industriellen-Villa herrscht Alltag: Der Mann lässt sich bedienen, die Frau funktioniert. Dass Robert Pujol (Fabrice Luchini) an seiner Gattin Suzanne (Catherine Deneuve) schon länger kein Interesse mehr hat, lässt er sie unverblümt spüren. Sie habe doch alles, hält er ihr vor. Geld, Zeit, sicher auch ein Hobby. Derart beschäftigt hat sie sicher auch nichts dagegen, wenn er sich lieber seiner Sekretärin widmet, entschuldigt er vor sich seine schäbige Affäre.
Doch Suzannes Lebensinhalt besteht tatsächlich nur darin, die großbürgerliche Kulisse für ihren Mann und die beiden erwachsenen Kinder aufrecht zu erhalten. Der Frühstückstisch ist pünktlich gedeckt, die Inneneinrichtung stets klinisch sauber, die Schürze trägt sie stolz wie eine Uniform. Ihre Tochter (Judith Godrèche), scheinbar emanzipiert, weil sie sich von ihrem arbeitswütigen Ehemann trennen will, wirft der Mutter vor, ein Schmuckstück zu sein. Adrett und verfügbar, wenn man es mal brauchen sollte.
Mit stiller Würde verkörpert Catherine Deneuve in der ersten halben Stunde von Francois Ozons „Das Schmuckstück“ dieses hohle Lebensmodell, das in den 70ern und 80ern noch an der Tagesordnung war. Das Rollenverhalten ist derart festgefahren, dass Suzanne gegen den plüschigen Luxus nicht etwa aus freien Stücken aufbegehrt, sondern der Zufall sie dazu drängt. In der Schirmfabrik ihres Mannes bricht der Arbeitskampf aus, der despotische Pujol erleidet vor lauter Zorn über das Proletariat einen Herzkasper. Bis er sich erholt, übernimmt die Gattin das Ruder. Zum ersten Gespräch mit der Personalvertretung erscheint sie im Pelz — nicht etwa, weil sie provozieren will, sondern weil man sich für ein solches Gespräch nun mal hübsch anzieht, wie sie der Sekretärin ihres Mannes sagt.
Ozon inszeniert eine pralle, dialogreiche Boulevardkomödie, unter deren burlesker Oberfläche die Sozialkritik wohl dosiert durchschimmert. Um die Arbeiter zu beruhigen, bittet Suzanne Maurice Babin (Gérard Depardieu) um Hilfe. Mit dem einstigen Kommunisten-Fundi und heutigen Bürgermeister ihrer Gemeinde verbindet sie eine gemeinsame Vergangenheit. Langsam wird klar: Auch Suzanne hat sich ihre Freiheiten genommen. Sie hat nur nicht so damit geprahlt wie ihr Mann.
Das einstige Bühnenstück, das Ozon für die Leinwand umgeschrieben hat, ist voll auf die zeitlose Eleganz und den spröden Charme der Deneuve ausgerichtet. Mit Logik und Kreativität bringt sie das marode Familienunternehmen wieder in die Gewinnzone, scheitert aber an den falschen Idealen, die sie ihren Kindern vermittelt hat. Doch der Rückschlag ist nur von kurzer Dauer. Die Emanzipation ist nicht mehr aufzuhalten.
Wertung: 4 von 5 Punkten