Goldener Löwe Das sind die Favoriten beim Filmfest Venedig

Venedig (dpa) - Der Ausblick vom Festivalgelände in Venedig könnte nicht schöner sein. Schließlich ist es auf dem Lido nie weit bis zum Strand, hinter dem sich das Meer bis zum Horizont erstreckt.

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Dieses Panorama war beim Filmfest immer wieder eine Flucht vor der Realität, die die Zuschauer im Kinosaal ständig einholte - viele Beiträge arbeiteten sich in den vergangenen Tagen schließlich an den Herausforderungen und Krisen unserer Zeit ab. Einsame und verzweifelte Menschen standen dabei genauso im Mittelpunkt wie der Kampf um Gerechtigkeit und politische Gleichberechtigung.

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Die Regisseure im Wettbewerb wählten allerdings unterschiedliche Ansätze, um sich diesen Themen zu nähern - und es ist auch noch völlig offen, welcher der 21 Beiträge an diesem Samstagabend als bester Film mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wird. Zu den Favoriten zählt dabei „The Insult“ von Ziad Doueiri, der anhand der Eskalation einer Lappalie im libanesischen Beirut viel über die Entstehung gewalttätiger Konflikte offenbart. Vivian Qu hingegen, die einzige Regisseurin im Wettbewerb, prangert in „Angels Wear White“ Korruption und (Macht-)Missbrauch in China an.

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Auch der Ire Martin McDonagh thematisiert in „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ politische Missstände wie Polizeiwillkür und Rassismus - lässt diese Aspekte aber nebenbei einfließen und fokussiert in seiner Tragikomödie auf die Mutter Mildred, die endlich den Mord an ihrer Tochter aufgeklärt haben will. Frances McDormand verkörpert diese traumatisierte und zugleich kämpferische Frau so intensiv, dass sie auch als aussichtsreiche Kandidatin auf den Preis für die beste Schauspielerin gilt.

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Überhaupt waren es in diesem Jahr viele US-Produktionen, die in Venedig für die stärksten Eindrücke sorgten. Immerhin konnte sich das Festival seit einigen Jahren als wichtige Plattform für den Start in die nächste Oscar-Saison etablieren. Möglicherweise gehören daher am Samstag auch die neuen Filme von Darren Aronofsky und Guillermo del Toro zu den venezianischen Preisträgern. „Black Swan“-Regisseur Aronofsky polarisierte mit seinem philosophisch beladenen „mother!“, während del Toro mit seinem Märchen „The Shape Of Water“ eine bildgewaltige Fantasie erschuf.

Festivalleiter Alberto Barbera stellte allerdings einen insgesamt so starken Wettbewerb zusammen, dass es durchaus auch andere Beiträge gibt, die am Ende von der Jury um die US-Schauspielerin Annette Bening ausgezeichnet werden könnten. So schuf etwa Alexander Payne mit „Downsizing“ eine originelle Geschichte um die geschrumpften Stars Matt Damon und Christoph Waltz, und George Clooney lieferte mit „Suburbicon“ eine Groteske über Rassismus in den USA.

„Human Flow“, der Beitrag des chinesischen Starkünstlers Ai Weiwei, enttäuschte viele als zwar komplexe, aber doch eher oberflächliche Überblicks-Dokumentation über die vielen Flüchtlingskrisen derzeit - gerade bei US-Kritikern schien die deutsche Koproduktion dennoch gut anzukommen.

Trotz der häufig düsteren Themen gibt es in diesem Festivaljahrgang auch Lichtblicke, die einen optimistisch in die Zukunft schauen lassen. Einer davon ist der junge Schauspieler Charlie Plummer: Der US-Amerikaner musste in dem Drama „Lean on Pete“ zwar eine tragische Odyssee auf der Suche nach Liebe und Geborgenheit erleiden. Doch der 18-Jährige trug den Film auf so beeindruckende Weise, dass er nicht nur ein Anwärter auf eine Auszeichnung, sondern schon jetzt eine vielversprechende Neuentdeckung ist.

Hinzu kam die Vision von Filmfest-Leiter Barbera, dieses Mal den ersten Wettbewerb für Virtual Reality-Filme bei einem großen Festival ins Leben zu rufen. Mehr als 20 Produktionen zeigten so teilweise sehr kunstvoll und experimentell die Möglichkeiten, die diese neue Technik mit sich bringt: Mit Hilfe einer speziellen Brille hat man das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein - vielleicht ist genau dies das Kino der Zukunft.