Die „Almanya“-Schwestern über Komik und Migration
Berlin (dpa) - Integration ist harte Arbeit, von Missverständnissen und scheinbar unüberbrückbaren kulturellen Unterschieden geprägt, sagen die einen. Sie hat aber auch etwas sehr Komisches, meinen die Schwestern Yasemin und Nesrin Samdereli, Enkelinnen eines türkischen Gastarbeiterpaares.
Über ihre Erfahrungen, Eindrücke und Einstellungen haben sie die überaus amüsante und sehr liebevolle Komödie „Almanya - Willkommen in Deutschland“ gedreht, die am 10. März ins Kino kommt. Im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa sprachen Yasemin (Drehbuch, Regie) und Nesrin Samdereli (Drehbuch) über Migration, ihre Schwäche für deutschen Kuchen und den Schrecken des Kruzifixes.
Sie erzählen in Ihrem Film die Geschichte der Familie Yilmaz, die Anfang der 70er Jahre als Gastarbeiter aus Anatolien nach Deutschland kam. Ihre Familie stammt selbst aus der Türkei, sie leben in der dritten Generation hier. Wieviel Samdereli-Familiengeschichte steckt in der Familie Yilmaz?
Nesrin Samdereli: „Es sind viele kleine Anekdoten, die wir tatsächlich so erlebt oder erzählt bekommen haben. Zum Beispiel die ungeheure Angst vor den Kruzifixen. Ein Onkel hatte als Kind tatsächlich richtige Panik davor. Und wir haben als Kinder unsere Mutter genötigt, Weihnachten zu feiern, wie alle unsere deutschen Freunde. Dieser Versuch scheiterte allerdings kläglich, wie auch im Film. So finden sich einige Szenen aus unserem Leben in dem Film wieder.“
Sie beide sind in Dortmund geboren und in Deutschland aufgewachsen. Kennen Sie den Konflikt, wie ihn der sechsjährige Cenk in dem Film erlebt, weil er nicht weiß, ob er nun Deutscher oder Türke ist?
Nesrin Samdereli: „Deutschland ist für uns Heimat. Aber was genau das bedeutet, vor allem wenn die eigene Familie ursprünglich aus einem anderen Land kommt, damit habe ich mich erst in der Pubertät auseinandergesetzt. Meinen ersten Kulturschock in der Türkei hatte ich allerdings schon als Kleinkind. Die drei Tage Autofahrt dorthin waren schrecklich, aber was einen dafür dort erwartete, übertraf alle Erwartungen.“ (lacht)
Yasemin Samdereli: „Ja, und dann diese Plumpsklos und das Wasser hat irgendwie komisch gerochen. Und dann hat unsere Oma auch noch ein Opferfest für uns ausgerichtet und vor unseren Augen ein Zicklein schlachten lassen. Das war natürlich furchtbar und ich wollte auf keinen Fall etwas davon essen. Als es dann gebraten wurde, roch es doch zu lecker und ich habe schlechten Gewissens davon probiert. Es war köstlich. Später habe ich erfahren, dass auch viele deutsche Familien, eben in ländlicheren Gegenden, ihre Tiere selbst schlachten. Da wurde mir klar, dass die Unterschiede vielleicht doch gar nicht so groß sind.“
Spätestens seit Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“ wird das Thema Integration in Deutschland wieder sehr kontrovers und nicht immer sehr sachlich diskutiert. Sie aber erzählen eine lustige, leichte Geschichte und von einer Integration, die mehr als positiv verlaufen ist. Warum haben Sie für dieses Thema eine Komödie gewählt?
Yasemin Samdereli: „Weil wir das genauso von unseren Eltern und Großeltern mitbekommen haben. Da war alles nicht so düster, sondern eben auch sehr positiv und lustig. Schließlich wurden die Türken damals von den Deutschen geholt, der Fremdenhass kam erst viel später.“
Haben Sie trotzdem eine Botschaft oder ein Anliegen, das Sie mit ihrem Film thematisieren wollen?
Nesrin Samdereli: „Wir wollen die kulturellen Unterschiede als Bereicherung darstellen. Die Menschen sollen miteinander, übereinander lachen. Egal ob Türken oder Deutsche, es sind alles Menschen wie Du und ich. Und im besten Fall trägt der Film zu einem etwas entspannteren Umgang mit dem Thema bei.“
Was hat es mit der Sprache auf sich? Am Anfang sprechen die Deutschen einen Dialekt, der sich kaum zuordnen lässt, der Zuschauer ist total verwirrt und versteht nichts.
Yasemin Samdereli: „Genau das war unser Ziel. Wir wollten, dass die Zuschauer sich fühlen wie die Türken, die damals nach Deutschland kamen und kaum ein Wort verstanden. Deswegen mussten wir so ein unverständliches Kauderwelsch wählen. Dieses Stilmittel kennt man natürlich von Charlie Chaplin, aus "Der große Diktator" - ein grandioser Film. Da lag es sehr nah, sich ein bisschen was abzugucken und eine eigene Fantasiesprache zu kreieren.“
Was schätzen Sie besonders an Deutschland?
Nesrin Samdereli: „Auf jeden Fall die Meinungsfreiheit. Dass man offen diskutieren kann und wir in einer stabilen Demokratie leben.“
Yasemin Samdereli: „Ich liebe die Kuchenkultur hier. Die ist großartig. Aber im Ernst, wir sind hier in Deutschland stark geprägt worden. Und diese Prägungen, aber auch Klischees und Vorurteile wollen wir in unserem Film auch hinterfragen, manchmal einfach nur darstellen.“
Nesrin Samdereli: „Deswegen haben wir auch alle gängigen deutschen Klischees integriert. Zum Beispiel in der Traumsequenz von Großvater Hüseyin kurz vor seiner Einbürgerung. Schweinebraten, Dirndl, "Tatort"-Abende und Mallorca-Urlaube. Das musste einfach sein.“
Interview: Britta Schmeis, dpa