„Die Gier ist heute sogar legal“
Oliver Stone und Michael Douglas präsentieren in Cannes ihren aufrechten Film zur Finanzkrise: „Wall Street 2“.
Cannes. Die Wall Street wird menschlich - zumindest, wenn es nach Hollywood-Regisseur Oliver Stone geht. In "Wall Street - Geld schläft nie", der Fortsetzung des Blockbusters von 1987, geht es zwar wieder um den skrupellosen Finanzmanager Gordon Gekko (Michael Douglas) und die Machenschaften der Großbanken, zugleich aber stellt Stone Werte wie Loyalität und familiären Zusammenhalt in den Vordergrund.
Am Freitag präsentierte der Oscar-Preisträger den Finanzthriller bei den Filmfestspielen in Cannes, wo er außer Konkurrenz läuft. Damit reiht sich "Wall Street" thematisch in die bisher gezeigten Wettbewerbsfilme ein: In vielen ging es um den Verlust von Werten und fehlende menschliche Bindungen.
In "Wall Street 2" kommt der wegen Insiderhandels verurteilte Gekko nach acht Jahren aus dem Gefängnis. Allein steht er am Tor. Eine Familie, die ihn abholen könnte, hat er nicht. Seine Tochter Winnie (Carey Mulligan) hat sich längst von ihm abgewandt und will mit ihrem Freund Jake Moore (Shia LaBeouf) ein neues Leben beginnen. Ironischerweise ist Jake selbst Finanzmanager und zunehmend fasziniert von Gordon Gekko.
Alte Wunden reißen auf: Gekko sinnt auf Rache und will wieder ganz oben mitmischen. Winnie hingegen kann ihrem Vater nicht verzeihen und hat sich für ein scheinbar völlig anderes Leben entschieden, in dem Geld keine Rolle spielen soll. Und Josh glaubt daran, auch an der Wall Street Gutes tun zu können. Doch er ist mittendrin, als 2008 die Finanzwelt zu kollabieren beginnt.
"Es gibt eine enorme Ungleichheit und Ungerechtigkeit, und das muss korrigiert werden", sagte Oliver Stone (63) mit Blick auf die Finanzwelt. Aus der ersten Krise habe man nicht viel gelernt. "Sie war wie ein Herzinfarkt: Es gab einen dreifachen Bypass, und ein Stent wurde eingesetzt. Aber ich glaube nicht, dass wir das Problem wirklich gelöst haben."
Trotz der vermeintlichen Aktualität enttäuscht der Thriller. Denn er erzählt nichts wirklich Neues, sondern rekapituliert lediglich die Schlagzeilen der vergangenen Monate. Wenn Hauptfigur Gekko markige Sprüche wie "Früher war Gier nur gut, heute ist sie legal" verkündet, wirkt das wie schlichte Effekthascherei und verpufft rasch. Auch der vermeintliche Blick hinter die Kulissen der Börse geht ins Leere und begnügt sich damit, bekannte Klischees von skrupellosen Finanzhaien zu bestätigen, flankiert von einer ins Kitschige reichenden Familiengeschichte.
Andere Filme in Cannes machen es sich nicht so leicht. Sie zeigen oft die bittere Realität ohne ein schmalziges Happy End. Der Held in Mathieu Amalrics "Tournée" beispielsweise scheitert bitter mit seinem beruflichen Neubeginn, in "The Housemaid" des Südkoreaners Im Sangsoo kämpft eine junge Frau gegen die Übergriffe ihrer reichen Arbeitgeber, und der Chinese Wang Xiaoshuai erzählt in "Chongqing Blues" von einem Mann, der sich sein Scheitern als Vater eingestehen muss.