Zu glatt, um schön zu sein
Der Brite Oliver Parker inszeniert „Das Bildnis des Dorian Gray“ als saftigen Horrorfilm.
London. Oscar Wildes einziger Roman "Das Bildnis des Dorian Gray" hat auch fast 120 Jahre nach seiner Erstveröffentlichung kaum etwas an Faszination verloren. Mehr als ein Dutzend Adaptionen der Geschichte des schönen Jünglings, der durch den Zauber eines Gemäldes ewige Jugend erlangt, weist die Filmgeschichte auf. Der britische Regisseur Oliver Parker hat die Forever-Young-Story für die Generation Multiplex aufgearbeitet - als saftige Version des Klassikers, die auch vor Horrorfilm-Elementen nicht zurückschreckt.
Die Londoner Gesellschaft ist entzückt über den schönen und unschuldigen Neuzugang Dorian Gray (Ben Barnes). Das Porträt, das der Maler Basil (Ben Chaplin) von ihm anfertigt, wird zum umjubelten Kunstwerk. Schon bald nimmt sich der zynische Lebemann Lord Henry Wotton (Colin Firth) des Novizen an, führt ihn in das Londoner Nachtleben und seine Ausschweifungen ein.
Mit expressiver Wucht treibt Parker seinen Helden durch dunkle Gassen, Spelunken und Edelbordelle der viktorianischen Metropole, die mit wenig überzeugenden Digital-Rekonstruktionen aufgepeppt wurde. Lange Schatten begleiten die Reise des Dorian Gray in die eigenen Abgründe. Doch kein Exzess, keine Verrohung hinterlässt Spuren auf dem Gesicht des Protagonisten: Er bleibt strahlend jung. Stattdessen altert sein Porträt und spiegelt den wahren Zustand seiner Seele.
Parker inszeniert den Mord an dem Maler Basil als veritables Blutbad. Offensichtlich sollen das "Gothic"-Design und die blutigen Exkurse die jüngere Kinogänger an den Stoff heranführen. Als klarer Fehlgriff erweist sich dabei die Besetzung von Ben Barnes, der als Prinz Caspian in "Die Chroniken von Narnia" die Teenagerherzen erobert hatte. Hübsch, aber charismafrei gleitet Barnes durch den Film und sieht neben dem formidablen Colin Firth trotz ewiger Jugend ziemlich alt aus.
Um die Zielgruppe nicht mit dem Verdacht auf Literatur-Unterricht zu vergraulen, enthält sich Parker fast völlig einer Interpretation des vieldeutigen Stoffes. Der homoerotische Subtext etwa wird auf einen flüchtigen Kuss abgedimmt. Deutlich merkt man die Kompromisse, mit denen um die Kriterien der Jugendschutzgremien herumnavigiert wird, weshalb der Lustgewinn des jungen Helden in gängigen Versündigungsklischees stecken bleibt.
Doch auch in dieser durchwachsenen Inszenierung bleibt die mythische Wucht der Geschichte erhalten: Sie hat über den falschen Glanz der Schönheit und die dunklen Abgründe darunter auch im Botox-Zeitalter noch eine Menge zu sagen.
WZ-Wertung: Drei von fünf Punkten