Ein Film über den vergessenen Judenretter Carl Lutz

Budapest (dpa) - Kaum jemand kennt Carl Lutz, obwohl der Schweizer Diplomat zahlreiche ungarische Juden vor dem Tod bewahrt haben soll. Jetzt gibt es erstmals einen Dokumentarfilm über ihn. Ob der Film in Ungarn größer gezeigt wird, dürfte von der Politik abhängen.

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Carl Lutz (1895-1975) soll mindestens 50 000 ungarische Juden vor der Ermordung durch die Nazis gerettet haben. Der Schweizer Filmemacher Daniel von Aarburg, der jetzt den ersten Dokumentarfilm über Lutz gedreht hat, wusste noch vor drei Jahren nichts über dessen bewegende Geschichte. Sein Werk „Carl Lutz. Der vergessene Held“ feierte nun in Budapest Weltpremiere.

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Lutz ließ den Angaben zufolge als Schweizer Vizekonsul in Budapest systematisch für Juden Schweizer Schutzpässe ausstellen, als diese nach dem Einmarsch Deutschlands in Ungarn 1944 in Lebensgefahr waren. Die genaue Zahl der Geretteten ist schwer festzustellen, weil damals viele falsche Schutzpässe zirkulierten.

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Von den etwa 800 000 Juden Ungarns wurden rund 600 000 von den Nazis ermordet. Etliche von Lutz gerettete Juden wurden später berühmt: der Schriftsteller György Konrad etwa, die Philosophin Agnes Heller, der Budapester Oberrabbiner Jozsef Schweitzer, der Publizist Paul Lendvai, der österreichische Musikmanager Hans Landesmann (Wiener Festwochen, Salzburger Festspiele). Sie kommen in dem Film als Zeitzeugen zu Wort, ebenso wie etliche Helfer von Lutz aus dem Untergrund, die heute in Israel und in den USA leben.

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Lutz hatte sogar erfolgreich mit dem berüchtigten Adolf Eichmann (1906-1962) über die Rettung von Juden verhandelt. Der im Berliner Reichssicherheitshauptamt für die Deportationen zuständige Eichmann gestand Lutz ein Kontingent von 8000 Juden zu, die mit einem britischen Pass nach Palästina auswandern durften.

In einem lange vergessenen, bisher wohl nie öffentlich gezeigten Video-Interview schildert Lutz das Treffen mit Eichmann. Lutz sagt dabei, dass er bei Eichmann eine gute Verhandlungsposition hatte, weil er bei einer früheren Mission in Palästina Deutschland Dienste erwiesen habe. Um welchen Dienst für die Deutschen es sich handelte, ist unklar. Kein Thema im Film ist auch die Kollaboration damaliger ungarischer Behörden mit den Nazis, die aktuell in Ungarn für heftige kontroverse Debatten sorgt.

Lutz war eine Schlüsselfigur, weil die Schweiz damals in Ungarn mehrere mit Deutschland Krieg führende Staaten vertrat, darunter auch Großbritannien. Es gelang Lutz, Eichmann auszutricksen: Den britischen Schutzpass Nummer 8000 hat es nie gegeben, Lutz begann mit der Nummerierung stets von vorne, sobald der 7999. Pass ausgestellt war.

Zudem versteckte Lutz 17 000 Juden in geschützten Wohnungen. Ähnliches tat in Ungarn auch der schwedische Diplomat Raoul Wallenberg (1912 - nach 1946), der 1945 in die Sowjetunion verschleppt wurde und dort wahrscheinlich ums Leben gekommen ist. Auch Diplomaten des Vatikan, Portugals und Italiens beteiligten sich an den Rettungsaktionen.

Nichts hatte den eher schüchternen, religiösen Methodisten Lutz zum Menschenretter prädestiniert. Nach seiner dramatischen Zeit in Budapest erlitt er einen Nervenzusammenbruch, schockiert durch die ausbleibende Anerkennung in der Schweiz. Seine Vorgesetzten warfen ihm Kompetenzüberschreitung vor und interessierten sich vor allem für seine Spesenrechnungen. Erst 20 Jahre nach seinem Tod, 1995, hat Bern seine Verdienste offiziell anerkannt. Erlebt hat Lutz nur die Auszeichnung aus Israel, wo er 1965 zum „Gerechten unter den Völkern“ erklärt wurde.

Ob Aarburgs Film weiter in Ungarns Kinos zu sehen sein wird, dürfte von der Politik abhängen. Ein ursprünglich interessierter Verleiher habe abgesagt mit der Begründung, dass dies derzeit in Ungarn politisch schwierig sei, sagte Aarburg vor Journalisten. Die Regierung des rechtsnationalen Viktor Orban ist dabei, eine Geschichtsdeutung durchzusetzen, die die Rolle Ungarns in der Nazizeit beschönigt und übt dabei erfolgreich Druck auf die Kulturszene aus.