Eine Frau packt’s einfach an

Drama: „The Blind Side“ erzählt die wahre Geschichte einer ungewöhnlichen Adoption. Für ihre Rolle als burschikose Familienmutter mit Herz erhielt Sandra Bullock den Oscar.

Nein, sie wirkt auf den ersten Blick nicht sympathisch, diese Leigh Anne Tuohy, die Sandra Bullock in "The Blind Side" so fantastisch spielt. Vor allem ihre regungslosen Gesichtszüge gepaart mit einem wachen, fixierenden Blick, flößen jedem, mit dem sie in Kontakt tritt, einen leicht schaudernden Respekt ein.

Ob sie ihr Pokerface jahrelangem Training als erfolgreiche Geschäftsfrau zu verdanken hat oder einfach nur einer wöchentlichen Botox-Behandlung, die kaschieren soll, dass der 40. Geburtstag schon ein paar Jährchen zurück liegt, lässt der Film offen. Wichtig ist, dass diese Frau mitmenschlich denkt. Und ergebnisorientiert. Deswegen stellt sich für sie auch gar nicht die Frage, ob sie dem 16-jährigen Michael (Quinton Aaron) eine Schlafmöglichkeit anbieten soll, als sie ihn eines Abends allein und spärlich bekleidet in der winterlichen Kälte stehen sieht. Sie nimmt ihn einfach mit. Widerspruch zwecklos.

Die Mitschüler nennen den bulligen Einzelgänger "Big Mike". Aufgewachsen ist er im Armenviertel von Memphis. Auf die gleiche privilegierte High School wie Leigh Annes Kinder geht er nur, weil der Schultrainer zufällig sein Football-Talent entdeckt hat.

Als Leigh Anne dahinter kommt, dass der Junge quasi obdachlos ist, nimmt sie ihn bei sich auf. Wieder: Ohne Zögern. Sie macht es einfach. Das entspricht ihrem Südstaaten-Naturell: Anpacken. Nicht drüber reden. Michael ist nun ganz selbstverständlich Teil ihrer Familie. Und wie bei ihren anderen beiden Kindern auch, bietet Leigh Anne ihm nicht einfach nur ein Bett und warme Mahlzeiten, sondern macht sich über ihn Gedanken. Dabei bemerkt sie, dass Michael ein ungewöhnliches Talent besitzt: Wegen eines stark ausgeprägten Schutzinstinkts ist er in der Lage, in brenzligen Situationen den toten Winkel, englisch: the blind side, abzudecken. Durch diese Fähigkeit wird er zum gefeierten Star der Football-Mannschaft.

Die wahre Geschichte von Michael Oher, heute Profispieler für die Baltimore Ravens, ist wie geschaffen für pralles Wohlfühlkino. Ein Underdog schafft den Weg nach oben, nicht aus eigener Kraft, denn das wäre einfach nur der Mythos vom Amerikanischen Traum. Nein, er erhält Unterstützung von Menschen, die aus freien Stücken helfen, weil sie es aufgrund ihrer sozialen Stellung und ihrer finanziellen Situation problemlos können.

Das Wunderbare an John Lee Hancocks Film ist seine Geradlinigkeit, und das trotz der vielen Fallstricke, die das Sujet bereithält. Weder missbraucht er den gesellschaftlichen Unterschied für rührseligen Sozialkitsch noch erhebt er den moralinsauren Zeigefinger zur Gardinenpredigt. Und trotzdem hat er eine simple Botschaft: Seid füreinander da! Es ist ganz einfach.

Bullock unterstreicht diesen unaufdringlichen Stil mit ihrem schnörkellosen Porträt einer Frau, die ohne Not hilft und dafür auch keinen Applaus will. In den USA spielte die nüchtern-amüsante Erzählung eines wahr gewordenen Märchens sagenhafte 260 Millionen Dollar ein.

WZ-Wertung: Vier von fünf Punkten

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