Fatih Akin mit Armenier-Drama beim Filmfest Venedig
Venedig (dpa) - Es ist noch immer ein heikles Thema, auch Deutschland spricht nicht offiziell von einem Völkermord - das Schicksal Hunderttausender Armenier ist in Teilen der Türkei sogar weiterhin ein Tabu.
Nun aber verschafft der deutsch-türkische Regisseur Fatih Akin (41) den Opfern eine große Öffentlichkeit: Sein mit Spannung erwarteter Spielfilm „The Cut“ feierte am Sonntag Premiere bei den Internationalen Filmfestspielen Venedig. Ein durchaus ambitioniertes Projekt mit dramatischen Bildern, und doch enttäuschte „The Cut“ viele Kritiker.
„Es ist dieses gefährliche, verbotene Tabu-Thema“, sagte der in Hamburg lebende Filmemacher („Gegen die Wand“) in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa in Venedig, wo sein Werk im Wettbewerb läuft. „Immer wenn etwas verboten ist, werde ich hellhörig.“ Er sah aber nicht nur die Rolle der Türken zur Zeit der Vertreibungen und Morde um 1915 kritisch, sondern auch die der Deutschen.
„Die Kriegsstrategie des Deutschen Kaiserreiches damals war, das Osmanische Reich nicht als Alliierten zu verlieren. Deswegen wollten sie nicht eingreifen.“ Sie hätten jedoch gewusst, was passierte. „Sie schwiegen, sie ließen es geschehen“, sagte Akin. „Es ist bezeichnend, dass die deutsche Regierung den Völkermord bis heute nicht als Völkermord anerkennt.“
Dem Film ist anzumerken, wie wichtig Akin das Thema ist. So drehte er „The Cut“ hauptsächlich auf Englisch, um ein möglichst großes Publikum zu erreichen. Außerdem inszeniert er das Werk als menschliches Drama und epischen Western, nutzt die Leinwand für große Totalen - das hat gerade für das Kino seinen optischen Reiz. Und doch scheint es, als habe Akin seine eigentliche Geschichte etwas aus den Augen verloren.
Seinen Protagonisten Nazaret nämlich schickt er auf eine jahrelange Odyssee durch verschiedene Länder. Bei den Vertreibungen hatte er seine Familie verloren, erfährt dann aber später, dass seine Zwillingstöchter noch am Leben sein sollen. Türkei, Libanon, Kuba, USA - auch wenn Akin Vergewaltigungen, Zwangsarbeit, Flüchtlingslager und Massenmorde zeigt, verliert Nazarets Suche mit immer mehr Stationen an Intimität, Intensität und Dramatik.
Spannend ist bei diesem Abschluss von Akins Trilogie um Liebe, Tod und Teufel allerdings die Darstellung der Hauptfigur, gespielt von dem Franzosen Tahar Rahim („Ein Prophet“): Weil ihm bei einem Massaker der Hals aufgeschnitten wird, bleibt Nazaret von nun an stumm. Ein einprägsames Symbol für die Sprachlosigkeit von Opfern von Gräueltaten.
Den deutlich größeren Jubel bekam am Wochenende dennoch Hollywoodstar Al Pacino. Mit Sonnenbrille und etwas zauselig-abstehenden Haaren lief der Oscar-Preisträger zur Freude seiner zahlreichen Fans gleich für zwei Premieren über den roten Teppich. Im Wettbewerbsbeitrag „Manglehorn“ trauert er einer verlorenen Liebe nach, während er in der außer Konkurrenz gezeigten Philip-Roth-Adaption „The Humbling“ einen alternden Schauspieler am Ende seiner Karriere gibt.
Parallelen zu seinem eigenen Leben sah der 74-Jährige dabei nicht, Aufhören ist für ihn keine Option. „Mit der Schauspielerei habe ich etwas gefunden, das ich sehr liebe“, sagte er in Venedig. „Das Flugzeug landet noch nicht - das ist zwar keine schöne Metapher, aber ich kann es gerade nicht anders ausdrücken.“