„Jack“ ist die große Entdeckung der Berlinale

Der elf Jahre alte Ivo Pietzcker überstrahlt beim zweiten Tag des Filmfestivals sogar Oscar-Preisträger Forest Whitaker.

Foto: THOMAS PETER

Berlin. Das Casting lag terminlich für ihn ganz schlecht. Samstags hat der elf Jahre alte Ivo Pietzcker Fußballtraining. Er schaffte es so gerade noch — abgehetzt und durchgeschwitzt — Regisseur Edward Berger zu beweisen, dass er „Jack“ ist. Zum Glück für alle Kino-Zuschauer. Denn der Film und sein Hauptdarsteller sind am zweiten Tag der Filmfestspiele eine Entdeckung. Will man sich nach vier von insgesamt 20 zu einer Prognose hinreißen lassen, so hat dieser deutsche Beitrag im Wettbewerb Chancen auf einen Bären.

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Bewegt von der Geschichte eines Zehnjährigen, der mit seinem kleinen Bruder drei Tage und Nächte auf der Suche nach der Mutter durch Berlin läuft, gibt es bei der Vorführung spontanen Beifall. Viel Lob auch bei der Pressekonferenz. Das lässt Ivo zwar erröten, ansonsten ist er überraschend selbstbewusst: „Die Schauspielerei ist nicht meine Bestimmung, obwohl ich das nicht schlecht mache. Auch den Traum vom Fußballprofi und vom Lokführer habe ich schon länger aufgegeben.“ Ihm schwebt eher vor, samstags wieder trainieren zu können.

Als Jack erlebt man diesen wortgewandten Jungen ganz anders. Er sagt fast nichts. In langen, ungeschnittenen Einstellungen spürt man förmlich, welche Verantwortung der Junge tragen und ertragen muss. Für seinen kleinen Bruder, dem er Frühstück macht, bevor er selbst in die Schule rennt. Für die viel zu junge Mutter, die mit ihren Söhnen liebevoll auf dem Teppich balgt, sie für eine neue Bekanntschaft aber auch mal für Tage aus den Augen verliert. Mit welcher Liebe sich die beiden vor sie stellen und versuchen, ihre Lage selbst zu meistern, rührt zu Tränen.

Wie locker der elfjährige Knirps sogar Oscar-Preisträger Forest Whitaker — auf der Leinwand und im Gespräch — überstrahlen würde, damit hat vor diesem Tag niemand gerechnet. Die Story von einem Polizistenmörder, der sich nach 18 Jahren Haft in einem Kaff an der US-amerikanischen Grenze zu Mexiko bewähren soll, dem weder eine engagierte Bewährungshelferin, noch Liebe oder Glaube helfen kann, verläuft sich in „Two Men in Town“ irgendwo in der windigen Wüstengegend. „Man weiß vorher nie, was bei einem Film rauskommt. Aber jeder ist eine Lebenserfahrung.“ So altersweise erklärt es der 52-jährige Whitaker, der als „Der letzte König von Schottland“ die Welt berührte.