Monster-Movie eines Diktators: Kim Jong Ils Film
Wien (dpa) - Der Diktator, damals noch Diktatorensohn als Produzent eines Horror-Trash-Movies: Das war dem Wiener Gartenbaukino nach dem Tod Kim Jong Ils jetzt eine Sondervorstellung zur Geisterstunde wert.
Spät nachts sollte „Pulgasari“ im einstigen Gala-Kino Gartenbau sein Unwesen treiben. Es ist ein Monsterfilm, der an „Godzilla“ denken lässt. Und noch viel mehr: Ein Propagandafilm des nordkoreanischen Regimes - und eine Produktion von Kim Jong Il, der später 17 Jahre an der Spitze der Diktatur in Nordkorea stand und vor ein paar Tagen starb.
„Die ganze Entstehungsgeschichte allein ist schon filmreif“, sagt der Betreiber des Gartenbau-Kinos Norman Shetler zur Entstehung des Streifens. Dabei geht es um Kidnapping, Straflager und schließlich eine Flucht. Das politische „Making-of“ ist für den britischen Produzenten Jeremy Thomas nun tatsächlich der Ausgangsstoff für einen Spielfilm mit dem Titel „Kim Jong Il Productions“.
Tatsächlich versuchte sich der nordkoreanische Diktatorensohn lange vor der Übernahme der Macht von seinem Vater Kim Il Sung auch als Filmproduzent. Kim Jong Il, der über 15 000 Filme bunkerte, ein Faible für Hollywood-Diven wie Elizabeth Taylor hegte und James-Bond- sowie Horror-Filme geliebt haben soll, verfolgte auch ehrgeizige Pläne, die Filmproduktion Nordkoreas anzukurbeln und das Land als Filmland aufzubauen. Die heimischen Regisseure waren ihm jedoch nicht innovativ genug.
Ende der 70er Jahre ließ Kim Jong Il den erfolgreichen südkoreanischen Regisseur Shin Sang Ok, der als Orson Welles Koreas galt, nach Nordkorea entführen und parallel dazu auch dessen Ex-Frau, die Schauspielerin Chang Son Hui. Erst Jahre später, die Shin zum Teil in Straflagern verbrachte, setzte sich der Diktatorensohn mit den Künstlern zusammen und verpflichtete sie zu gemeinsamen Produktionen.
Es entstanden mehrere Filme, die Revolutionsmetapher „Pulgasari“, die 1985 fertiggestellt wurde, sollte Nordkorea international als Filmland bekannt machen. Internationale Rechte und der Vertrieb wurden bereits vorbereitet. Dazu kam es aber nicht. Der Regisseur nutzte mit seiner Frau im März 1986 einen Aufenthalt in Wien, um nach einer spektakulären Flucht per Taxi mit Verfolgungsjagd durch Wien in die amerikanische Botschaft zu fliehen.
Die beiden setzten sich in die USA ab - in Nordkorea war es daraufhin nicht mehr opportun, den Film zu zeigen. Erst Jahre später wurde er in Japan gezeigt, hatte aber nie einen Verleih. Über eine VHS-Kopie erreichte der Film die Szene und wurde als Kuriosität im Kennerkreis gehandelt. Kinobetreiber Shetler will den Streifen nun auch nicht als Würdigung zeigen. „Für mich ist das eine ungewöhnliche, abstruse Fußnote der Filmgeschichte“, sagt er. „Jemand sitzt in seinem Elfenbeinturm und ist so realitätsfern, dass er glaubt, damit etwas bewegen zu können.“
Seine Einschätzung als Cineast ist eindeutig: „Der Film hat gewisse Trash-Qualitäten, er ist aber streckenweise auch schrecklich langweilig.“ Das Martial-Arts-Spektakel nach einer koreanischen Volkslegende erzählt die Geschichte einer rebellischen Bauernschaft, die sich gegen einen grausamen König auflehnt. Er lässt all ihren Hausrat und Werkzeug einschmelzen, um Waffen daraus zu machen.
Der aufrührerische Dorfschmied wird gefangen genommen und formt im Gefängnis aus einer Handvoll Reis eine kleine Figur, Pulgasari, die er vor seinem Hungertod seiner Tochter zukommen lässt. Ein Blutstropfen erweckt Pulgasari zum Leben. Die putzige Figur beginnt, Eisen zu fressen, und wächst daraufhin ins Monströse. Pulgasari kämpft zunächst an der Seite der Bauern, wendet sich aber schließlich in unersättlichem Hunger nach Eisen auch gegen die Aufständischen.
„Ein Spektakel zur kommerziellen Nutzung im Ausland“ nennt der Filmwissenschaftler und Asien-Spezialist Roland Domenig von der Universität Wien den Film, der aber auf eine gewisse Öffnung Nordkoreas Mitte der 80er Jahre verweise. Zur Produktion wurden Spezialisten aus Japan eingeflogen, erklärt er, sowohl für die Spezialeffekte als auch für die Darstellung: „Im Pulgasari-Kostüm steckt der gleiche Schauspieler wie in Godzilla“, erklärt Domenig. „Man hat japanisches Know-how eingekauft, um internationalen Erfolg zu erreichen.“